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Au nom de tous les autres : l'Internationale des Soldats inconnus (1916-2004)

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Grab des Unbekannten britischen Soldaten in der Westminster Abtei in London.
Corps 1
Im Namen aller anderen : "Internationale" der Unbekannten Soldaten (1916-2004)
Corps 2


Mit seinen Millionen von Toten und Verschollenen hat der Erste Weltkrieg die Völker in einen Trauerflor gehüllt, der den Sieg überschattete. In Frankreich haben diese Toten von 1918 bis in die Mitte der 20er Jahre den gesamten symbolischen und affektiven Raum der Nation eingenommen. Davon zeugen die vielen Feierlichkeiten, die Errichtung von Ehrenmalen für die Gefallenen in den Gemeinden und die Entscheidung, einen Unbekannten Soldaten zu ehren. Als Huldigung des ganzen Landes für die Soldaten, die auf dem Feld der Ehre gefallen sind und als Faktor für die Einheit der Nation wird der Unbekannte Soldat zu einem Symbol, das von verschiedenen verbündeten Nationen aufgenommen wird.

Warum sollte Frankreich nicht die Portale des Pantheon für einen dieser unbekannten Soldaten öffnen, die tapfer für das Vaterland gestorben sind. Der Gedenkstein könnte die Inschrift tragen: ein Soldat. Diese Worte, die der Präsident der französischen Vereinigung für Kriegsgräberfürsorge Souvenir français, François Simon, während einer Feier für die für das Vaterland gefallenen Soldaten auf dem Friedhof von Rennes ausgesprochen hat, ließen den Gedanken an den Unbekannten Soldaten entstehen. Vier Jahre später, am 11. November 1920, wurden zwei Unbekannte Soldaten beigesetzt, ein Franzose in Paris am Arc de Triomphe und ein Engländer in der Westminster Abtei in London. Der Unbekannte Soldat und das ihn umgebende Zeremoniell war geboren, und die Idee, die in Frankreich 1918 offiziell vorgestellt wurde (1), wurde von zahlreichen Ländern aufgegriffen, die siegreich aus diesem ersten weltweiten Konflikt hervorgegangen waren. Ohne in eine fruchtlose Debatte einzutreten - die im Übrigen keinen Nachweis über die Vaterschaft des Gedankens erbrächte - können sie nun die Briten oder die Franzosen für sich beanspruchen? - sollte man jedoch anmerken, dass es eine Reaktion gab, eine Art "Konkurrenz" zwischen den beiden Nationen, als man in Frankreich erfuhr, dass Großbritannien von seinen Schlachtfeldern den Leichnam eines anonymen Tommys heim holen wollte (2).

Bei den Briten wurde die Wahl recht schnell getroffen, umso leichter als die Führung klar gemacht hatte, dass im Sinne einer vollkommenen Gleichbehandlung die Körper der Tommies für alle Zeiten dort bleiben sollten, wo sie auf französischem Boden ruhten. Die Rückführung eines unbekannten Gefallenen in die Heimat war also eine Ausnahme, die ihm von Anfang an eine starke Symbolkraft verlieh. Der britische Unbekannte Soldat bekam schnell das geweihte und unbestrittene Statut eines Botschafters für die Toten des Ersten Weltkriegs. Auf französischer Seite wurde die seit 1918 aufgekommene Frage heiß diskutiert, und die Wahl der Begräbnisstätte war Gegenstand mancher Polemik. Außer den überreichlichen Projekten für Ehrenmale seit der Unterzeichnung des Waffenstillstands, die nicht in die Tat umgesetzt wurden, und dem Beginn langer Diskussionen über das Schicksal der Leichen der gefallenen oder vermissten Soldaten in dem früheren Kriegsgebiet wollte man zwei so verschiedenartige Gedenkfeiern wie die Beisetzung eines Unbekannten Soldaten und die Feier zum fünfzigsten Jahrestag der Republik verwirklichen, bei der man das Herz Gambettas im Pantheon niederlegen wollte.

Indem sie beide Zeremonien auf den selben Tag legten, den 11. November 1920, hatten sich die Vertreter der Nation in einer kontroversen Diskussion verfangen; die Entscheidungen ließen auf sich warten, denn außer schönen Reden - die im Übrigen häufig widersprüchlich waren - waren Anfang 1920 noch keinerlei Beschlüsse gefasst worden. In dem Streit unter den Franzosen ging es zunächst um die Stelle, an der der Unbekannte Soldat beigesetzt werden sollte. Die Regierung richtete sich mehr oder weniger nach dem ursprünglichen Wunsch von François Simon und wählte das Pantheon als den Ort aus, an dem die sterblichen Überreste des Unbekannten Soldaten wie auch das Herz des großen Republikaners Gambetta auf ewige Zeiten ruhen sollten. Diese Wahl eines politisch so bedeutungsschweren Monuments(3), das seit seiner Gründung von den Franzosen ziemlich schlecht angenommen wurde(4), bewirkte einen Sturm der Entrüstung sowohl in der Presse als auch in der Nationalversammlung. Die Sitzung vom 8. November 1920 - zwei Tage vor der Auswahl eines anonymen Leichnams in der Zitadelle von Verdun - war alles andere als der erwartete große Moment nationaler Einheit.

Léon Daudet, ein Abgeordneter der extremen Rechten, Mitglied der Action française, nutzte den Moment, um das Pantheon schlecht zu machen, als eine Kultstätte der Republikaner, die umso verabscheuenswürdiger sei, seit dort der Leichnam Zolas ruhte, des Autors von La Débâcle (Der Zusammenbruch)... Eine ideologisch ähnlich eingestellte Vereinigung von Frontsoldaten, La Ligue des chefs de section (Liga der Zugführer) unter Führung des Schriftstellers Binet-Valmer hatte ihrerseits der Regierung Leygues gedroht, einen anonymen Soldaten auf dem früheren Schlachtfeld zu exhumieren und dem Zug in den Weg zu legen, der den Unbekannten Soldaten und Gambetta zum Pantheon bringen sollte... Der sozialistische Abgeordnete Alexandre Bracke warf der von der patriotischen Chambre Bleu Horizon unterstützten Regierung vor, eine militaristische Feier inszenieren zu wollen, um "die noch lebenden Mitglieder des Führungsstabes, das Symbol aller Toten, hinter dem Leichnam zu verstecken (5)." Es gelang schließlich den Abgeordneten Vidal und Sangnier, die Nationalversammlung zu beruhigen und den Frieden wieder herzustellen : Unsere Veranstaltung wird keine Veranstaltung einer Partei oder eines Klüngels sein, sondern eine Veranstaltung Frankreichs und der Republik, in der heute das siegreiche Frankreich seinen Ausdruck findet, das sich auf dem Weg zu der Demokratie der Zukunft befindet(6)." Diese verbindlichen Worte beruhigten die Gemüter umso mehr als sich die britischen Verbündeten, wie der Abgeordnete André Paisant in Le Journal vom 27. Oktober berichtet hatte, darauf vorbereiteten, in Heiterkeit und vollkommener Einigkeit einen Unbekannten Soldaten unter den Gewölben der Westminster Abtei beizusetzen... Man lebte nicht mehr in der Zeit der Kontroversen, sondern in der Zeit des Handelns. Der Arc de Triomphe de l'Etoile hatte in extremis erbitterte Verteidiger gefunden.

Die Ehrung der Toten durch die Franzosen und Engländer fand schnell Nachahmer, allerdings nur auf der Seite der Sieger (7). Wie in Frankreich und Großbritannien entschieden die Regierungen darüber, welche Schritte unternommen wurden, um neue unbekannte Soldaten zu finden. Sie stärkten auf internationaler Ebene die Trauer, sowohl um Soldaten, von denen man wusste, dass sie in der Ferne ein Grab gefunden hatten als auch um diejenigen, die keine Grabstätte hatten und sie wahrscheinlich auch niemals haben würden: die Vermissten. Sie machten es andererseits auch möglich, Nationen in ihrem Gedenken zu vereinen, deren politische, diplomatische und ideologische Positionen, die während des Konflikts mehr oder weniger übereingestimmt hatten, sich nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages wieder auseinander und gegeneinander entwickeln konnten. Es wurde gängige Praxis, nationale Delegationen an die Gräber der verschiedenen Unbekannten Soldaten zu schicken, ein echtes Zeichen gegenseitigen Verständnisses in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Schon 1921 wählten Portugal, Italien und die Vereinigten Staaten ihren Unbekannten Soldaten und gestalteten das Zeremoniell nach dem Muster der Briten und Franzosen: die Art der Benennung, die Feierlichkeiten um den Transport der Leichname, das Ritual der Beisetzung und der Kults um die Gräber der Unbekannten. Hierbei ist allerdings hervorzuheben, dass sich in den Vereinigten Staaten, ebenso wie zur gleichen Zeit in Frankreich (8), eine lebhafte Diskussion zwischen dem American Field of Honor (das die Gefallenen dort lassen wollte, wo sie gestorben waren) und der mächtigen Bring Home the Soldier Dead League um die Rückführung der Gefallenen entwickelte, in der diese schließlich siegte, weil die amerikanischen Familien nun die Wahl hatten, ob sie die Leichen der Sammies, die auf französischem Boden ruhten(9), heim holen wollten oder nicht. Zwischen 1922 und 1932 folgten weitere Länder: Belgien, Jugoslawien, Rumänien, Polen, die Tschechoslowakei.

Erst vor kurzem haben Australien (1993), Kanada (2000) und Neuseeland (2004) entschieden, einen in Frankreich begrabenen Unbekannten Soldaten zu exhumieren und ihn in die jeweilige Hauptstadt heim zu holen. Das Zeremoniell im Zusammenhang mit diesen Ereignissen und die Reden, die die Regierungsvertreter anlässlich dieser Heimkehr hielten, zeugen von tiefem Respekt und zeigen vollkommene Parallelen zu den Ereignissen in den beiden Jahrzehnten, die unmittelbar auf den Ersten Weltkrieg folgten. Diese Feierlichkeiten der letzten Jahre machen deutlich, dass das Symbol des Unbekannten Soldaten die Menschen unserer Zeit nicht unberührt lässt, die sich wünschen, das Ausmaß des menschlichen Dramas besser zu verstehen, das durch den Ersten Weltkrieg ausgelöst wurde. In Wahrheit hat die Tatsache, dass die Gefallenen unmittelbar nach dem Krieg nicht in die Heimat zurück geholt wurden, und die Symbolik, die sich um die Gräber der anderen Unbekannten Soldaten ausbildete - aus einfachen Vertretern der Vermissten waren sie bald zum Sinnbild aller Toten des Krieges geworden - diese Entscheidungen begünstigt.

Gerade die Anonymität dieser Gefallenen macht sie heute wie auch gleich nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Symbol nationaler Einigung. Die Analyse der bei den Beisetzungsfeierlichkeiten von dem Premierminister Australiens, P.J.Keating oder der Generalgouverneurin von Kanada, Adrienne Clarkson, gehaltenen Reden zeigt abgesehen von den offenkundigen Übereinstimmungen, dass für diese beiden aus der Emigration entstandenen Nationen, von denen wenigstens eine die Zweisprachigkeit gewählt hat, die Allgemeingültigkeit des Symbols in seiner absoluten Anonymität ein Zeichen für die wieder gefundene Einheit ist, die schließlich - wenn auch spät - die Bande der nationalen Einigung festigen wird, selbst wenn sie wie im Fall Kanadas manchmal etwas problematisch ist...

In ihrer Rede vom 28. Mai 2000 zitiert die Gouverneurin von Kanada Reden, die Major Talbot Papineau 1916 geschrieben hat. Um die Bedeutung des hier gefeierten Symbols zu unterstreichen, wählt sie eine Passage, in der die nationale Einheit verherrlicht wird : "Ist ihr Opfer umsonst gewesen, oder festigt es nicht vielmehr das Fundament einer wahren kanadischen Nation, einer kanadischen Nation, die unabhängig denkt, die unabhängig handelt, die selbst in ihrer politischen Organisation unabhängig ist - aber vereint im Geist und den gemeinsamen humanitären Anliegen und hochgesteckten internationalen Zielen(10)."

Die Zeitgenossen von Major Papineau hatten sich nicht getäuscht in ihrer Vermutung, dass ein Teil der kanadischen Nation in Frankreich geboren war, ein Jahr später, an den Hängen eines Hügels im Pas-de-Calais. "Vimy wird zu einem symbolischen kanadischen Sieg, zu einer dieser "großen Taten", die ein Land vollbringen muss, um seine Identität zu erhalten", äußert zu Recht der kanadische Historiker Desmond Morton (11). Sieben Jahre vor der Rede von Adrienne Clarkson hatte P.J. Keating in demselben Sinne gesprochen, als er zur Erinnerung an die 45 000 in Frankreich gefallenen Australier aufrief und zum Thema des unbekannten australischen Soldaten sagte, dass er "jeder von ihnen ist. Und dass er einer von uns ist."

Gestern und heute hat die Auswahl dieser beiden anonymen Gefallenen und das Zeremoniell, das sie bis in die jüngste Vergangenheit begleitet hat, zugleich den Sinn, die Toten des Ersten Weltkriegs zu ehren und die nationalen Bindungen anlässlich eines Sieges und eines Opfers in der Vergangenheit zu festigen, zu bestätigen und zu verherrlichen. Das einzig Neue, was man in den Reden von 1993 und 2000 feststellen kann, ist, dass man über den Ersten Weltkrieg hinaus diese Unbekannten Soldaten zum Sinnbild für alle Kriege macht, an denen die Australier und Kanadier im 20. Jahrhundert beteiligt waren. In Frankreich wird die Benennung von Unbekannten Soldaten als Vertreter bestimmter Konflikte (Zweiter Weltkrieg, Indochina, Nordafrika) bis 1980 fortgesetzt, wobei man auch die Rückführung der Asche von anonymen Deportierten nicht vergessen darf.

Nota (1) Der Abgeordnete und Kriegsversehrte Maurice Maunoury legt am 19. November 1918 einen ersten Gesetzesvorschlag vor. (2) C. Vilain, Le Soldat inconnu (Der Unbekannte Soldat), M. D'Hartoy, 1933, S. 51 und M. Dupont, L'Arc de Triomphe et le Soldat inconnu, Les Editions françaises, 1958, S. 15. In seinem Werk The Unknown Soldier. The story of the missing of the Great War (Der Unbekannte Soldat. Die Geschichte der Vermissten des Ersten Weltkriegs), Corgi Books, 2005, S. 422-423, scheint N. Hanson die These von der zeitlichen Vorreiterrolle Frankreichs zu bestätigen, denn nach seinen Untersuchungen kommt der Gedanke, einen britischen Unbekannten Soldaten beizusetzen, nicht vor Mitte Oktober 1920 auf. (3) Über die während der Revolution nicht benutzte Kirche, das Pantheon, waren die Meinungen geteilt. Es war als Tempel für die großen Toten der Republik eingerichtet worden, ein republikanischer Tempel, den die Rechte nicht als nationales Ehrenmal ansah; der Arc de Triomphe dagegen war ein offener Ort, über den es kaum Meinungsverschiedenheiten gab. (4) Mona Ozouf, "Le Panthéon. L'École normale des morts" (Das Pantheon. Die Pädagogische Hochschule der Toten) in collectif (P. Nora Dir.), Les lieux de mémoire 1, Gallimard, Neuaufl. 1997, S. 155-177. (5) JO (Anzeiger der Republik), Abgeordnetenkammer, Debatten vom 8. November 1920, S. 15. (6) Zusammenfassung der lang andauernden Polemiken um das Grabmal des französischen Unbekannten Soldaten, cf. J.F. Jagielski, Le Soldat inconnu. Invention et postérité d'un symbole (Der Unbekannte Soldat. Erfindung und Erbe eines Symbols), Imago, 2005. (7) Über die Verweigerung eines solchen Verfahrens der Erinnerung in Deutschland, cf. V. Ackermann, "La vision allemande du Soldat inconnu : débats politiques, réflexion philosophique et artistique" (Die deutsche Sicht des Unbekannten Soldaten: politische Debatten, philosophische und künstlerische Überlegungen) in collectif, Guerres et cultures (Kriege und Kulturen) 1914-1918, Armand Colin, 1994, S. 385-396. (8) AN F2 2125, Protokoll der Sitzung der nationalen Kommission für Kriegsgräber vom 31. Mai 1919. (9) M. Meigs, "La mort et ses enjeux : l'utilisation des corps de soldats américains lors de la Première Guerre mondiale" (Der Tod und sein Einsatz : die Benutzung der Leichen von amerikanischen Soldaten im Ersten Weltkrieg), Guerres et conflits contemporains (Kriege und Konflikte unserer Zeit) Nr. 175, Juli 1994, S. 135-146. (10) Zitiert in J.F. Jagielski, op. cit., S. 236 (11) Fahrkarte an die Front. Soziale Geschichte der kanadischen Freiwilligen (1914-1919), Athéna Verlag, 2005, S. 196