Das Gedenken an den Großen Krieg
Der 100. Jahrestag des Großen Krieges hat in Frankreich und Deutschland die Erinnerung an einen Konflikt wiederbelebt, der die Gesellschaften und Landschaften beider Länder nach dem Waffenstillstand tief geprägt hat. In Wirklichkeit hat diese Erinnerung nie aufgehört, das französische und das deutsche Staatsgebiet zu durchdringen. Seit über einem Jahrhundert entwickelt und rekonstruiert sie sich im Laufe der Zeit vor dem Hintergrund der nationalen Geschichte und des europäischen Einigungswerks.
Während der Erste Weltkrieg in den Augen der Franzosen immer noch der „Große Krieg" ist, hat er diese Bezeichnung in Deutschland mit der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs verloren. Die Erklärung ist einfach: Deutschland wurde vom Zweiten Weltkrieg bis ins Mark getroffen. Die Städte wurden unter ihren Trümmern begraben, und es gab Millionen von zivilen und militärischen Toten. In Frankreich hingegen hatte der Zweite Weltkrieg trotz des Traumas der Besatzung und der Kollaboration bei weitem nicht die gleichen Dimensionen. Das Land verlor 220.000 Soldaten und 330.000 Zivilisten - Deutschland hingegen beklagte den Tod von 5,5 Millionen Soldaten, und weit über 3 Millionen Zivilisten verloren ihr Leben.
Das deutsche Gedenken an den Ersten Weltkrieg oder der „Krieg der Denkmäler"
In Deutschland war das Interesse am Ersten Weltkrieg in den 1950er Jahren verschwindend gering. Die Zerstörung der Städte, die abgrundtiefen Verluste an Soldaten und Zivilisten, ganz zu schweigen von den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von den Nazis begangen wurden, haben den Ersten Weltkrieg tatsächlich völlig in den Hintergrund gedrängt. German Werths bemerkenswertes Buch über die Schlacht von Verdun mit Interviews mit noch lebenden Verdun-Veteranen fand Anfang der 1970er Jahre in Deutschland keinen seriösen Verleger, so dass es schließlich von einem Verlag herausgegeben wurde, der sich hauptsächlich auf Geschichten von „Landsern" spezialisiert hatte.
Das deutsche Gedenken war und ist zutiefst davon geprägt, dass das „Erbe" des Großen Krieges höchst strittig war. Warum hatte man den Krieg verloren und war gezwungen worden, den „schändlichen Frieden von Versailles" zu unterzeichnen? Aus diesem Grund waren weder offizielle Gedenkfeiern möglich, noch konnte über den Gräbern der für das Vaterland gefallenen Soldaten ein Schweigen über die politischen Streitigkeiten verhängt werden. Zu dieser grundlegenden Polarität kommt hinzu, dass die Weimarer Republik ein Bundesstaat war und die Bundesstaaten durchaus die Möglichkeit hatten, eigene Regeln zu verabschieden, die sich manchmal selbst widersprachen.
Die Denkmäler waren insgesamt von einem abgestumpften Heroismus geprägt - oft christlich gefärbt, wobei die Niederlage verdrängt oder sogar in einen Sieg umgewandelt worden war. Noch bedeutender war die Behauptung, dass die gefallenen Soldaten „unbesiegt auf dem Feld der Ehre geblieben" wären. In allen politischen Lagern wurde das Bedürfnis geäußert, dem Tod der Soldaten einen Sinn zu geben, und die Frage der Denkmäler eroberte die politischen Debatten und Streitigkeiten.
Denkmal zum Gedenken an das 39. Regiment, Reeser Platz, Düsseldorf, 2009. © DR
Ein sehr gutes Beispiel für diese Spannungen ist der Streit, der durch das „Denkmal des 39." in Düsseldorf ausgelöst wurde. Das 39. Niederrheinische Infanterieregiment war von besonderer Bedeutung, weil es Ludendorffs Regiment war. Der Stadtrat von Düsseldorf entschied sich für ein großes Denkmal im Stil des „Verwundeten Kriegers", das in der Nähe des Konzerthauses (Tonhalle) errichtet wurde. Dieses stellte zwei am Boden kriechende Soldaten dar, von denen der eine seinen verwundeten Kameraden fürsorglich an der Hand hielt. Nationalisten aller Couleur betrachteten die Skulptur - die zugegebenermaßen sehr realistisch und nicht besonders kriegskritisch war - jedoch als „unwürdig". Diese erschien ihnen umso weniger akzeptabel, als die beiden Männer in gewisser Weise „fremd" oder sogar „semitisch" wirkten, wie es damalige Gegner bemängelten. Dieses Denkmal wurde immer wieder beschädigt und verunstaltet - und bereits 1933, unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, durch das „Heldendenkmal" - das auch heute noch den Reeser Platz ziert - ersetzt.
Die politische Lage in Deutschland war so angespannt, dass die geplante Errichtung von Denkmälern in vielen Gemeinden überhaupt nicht gelingen konnte. Die von Lurz zu diesem Thema angeführten Beispiele sind äußerst zahlreich. Interessant ist insbesondere der Fall der Stadt Marbach am Neckar, der berühmten „Schillerstadt". Dort steht noch heute neben dem alten Stadttor eines der seltsamsten Denkmäler aus dem Ersten Weltkrieg. Zwei Soldaten, von denen einer ein Kämpfer von 14-18 und der andere ein Kämpfer der Wehrmacht ist, erkennbar an ihren Helmen, sind hier in ein einziges Gewand gekleidet, nämlich die Uniform der Wehrmacht. Diese Arbeit war das Ergebnis eines über zehn Jahre andauernden Streits um das Denkmal. Denn hier, wie an vielen anderen Orten in Deutschland, endete der „Krieg um die Denkmäler" bereits im März 1933 und es wurden überall „heroische" Denkmäler aufgestellt. Ein weiteres Beispiel ist das riesige Denkmal in Bochum. Dort hält ein Soldat der Wehrmacht ein Schwert, wobei er von einem Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg unterstützt wird. Dasselbe gilt für das Denkmal des 39. Infanterieregiments in Düsseldorf. Das 1936 eingeweihte Denkmal zeigt eine Gruppe von Soldaten des Ersten Weltkriegs, die in die Gruft hinabsteigen, während eine Soldatengruppe der neuen Wehrmacht aus der Gruft herauskommt. Dort sind die Namen von Schlachten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg verewigt.
Denkmal in Marbach am Neckar, September 2019. © DR
Es war also das Erwachen des Nationalsozialismus, das die Gedenkkultur des Ersten Weltkriegs in Deutschland vereinheitlichte. Die Nationalsozialisten hatten sich bereits in den 1920er Jahren stark in diesem Gedenkstreit engagiert. Ab 1925 betonte Adolf Hitler in seinen Wahlkampagnen immer wieder ausdrücklich seinen Status als Kriegsopfer und forderte die Ehrung aller Opfer von 14-18. Dies brachte ihm massenhaft die Stimmen der letzteren und ihrer Angehörigen ein. Die Nationalsozialisten hatten die Wahrung der Erinnerung an den Großen Krieg und die Ehrung der Helden zu einem ganz zentralen Punkt ihres politischen Programms gemacht. Das vielleicht interessanteste Beispiel ist Hitlers geplanter monumentaler Triumphbogen, den er bereits 1925 eigenhändig skizziert hatte und dessen Umsetzung noch vor 1940 begann. Er sollte einen zentralen Punkt bei der Umwandlung Berlins in „Germania" bilden. Auf diesem Bogen sollten die Namen aller im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten eingemeißelt werden, also etwa 2 Millionen Namen. Das Vorbild hierfür ist sicherlich das englische Denkmal in Thiepval an der Somme, auf dem die Namen von etwa 72.000 britischen Soldaten eingemeißelt sind.
Das französische Gedenken an den Großen Krieg oder die Institutionalisierung einer Erinnerung
In Frankreich hingegen hatte dieser Krieg, der trotz aller Verluste gewonnen wurde, eine gemeinsame Erinnerung an das Leiden und das Heldentum der Soldaten und der Nation ausgelöst. Die lokalen Gebietskörperschaften, die eine von der Republik „institutionalisierte" Form der Trauer verkörperten, bauten ein gemeinsames Gedenken an den Großen Krieg auf, das auch durch die heftigsten innenpolitischen Kontroversen nicht gebrochen werden konnte.
Schüler der Gymnasien zeigen ihre Freude, Place de la Concorde, 11. November 1918. © Maurice-Louis Branger/Roger-Viollet
Was die französischen Kriegerdenkmäler betrifft, so wurde am 25. Oktober 1919 ein Gesetz verabschiedet, das festlegte, dass jede französische Gemeinde ein solches Denkmal errichten muss. Dieses Gesetz ist übrigens nach wie vor in Kraft und es gibt tatsächlich keine Gemeinde, die ihren „Poilu" nicht feiert. Über 95 % der französischen Gemeinden verfügen über ein Kriegerdenkmal, das sich entweder in unmittelbarer Nähe des Rathauses und der Schule (im Fall von linksrepublikanisch gesinnten Gemeinden) oder in der Nähe der Kirche (im Fall von konservativ und katholisch geprägten Gemeinden) befindet.
Alle diese Denkmäler wurden praktisch „nach Katalog" entworfen. Den Gemeinden wurde die Wahl zwischen verschiedenen Arten der Darstellung von Soldaten angeboten: der die Fahne schwingende, nach vorne stürmende Poilu; der sterbende Poilu; die weinende Mutter, die ihren gefallenen Sohn auf dem Schoß hält (Pietà-Motiv), mehr Auswahl gab es nicht. Am häufigsten wählte man jedoch eine schlichte Gedenksäule mit der Inschrift: „Die Gemeinde XXX ihren für Frankreich gefallenen Söhnen". Die Namen der gefallenen Soldaten wurden anschließend alle auf dem Denkmal aufgeführt. Noch heute kann man den unglaublichen Blutzoll sehen, den Frankreich im Ersten Weltkrieg gezahlt hat, wenn z. B. in einer Gemeinde mit 800 Einwohnern bis zu 80 Namen eingeritzt wurden, darunter sehr oft mehrere Söhne ein und derselben Familie.
Neben diesen Statuen, die eher neutral gestaltet sind und vor allem den heimischen Frieden des Ortes bewahren, gibt es auch seltene Fälle von nationalistischen oder chauvinistischen Darstellungen: zum Beispiel der „triumphierende Poilu mit Lorbeer" oder der Poilu, der einen Spitzhelm zertritt. Weit häufiger vertreten ist eine Darstellung, die das französische Bewusstsein sicherlich am getreuesten widerspiegelt, nämlich die des Soldatentyps, dessen Gestik die berühmte Parole der Schlacht von Verdun im Jahr 1916 symbolisiert: „Sie werden nicht durchkommen".
Kriegerdenkmal in Saint-Nizier-le-Bouchoux (Ain) mit einem siegreichen Poilu, 20. August 2021. © DR
Der wichtigste Punkt jedoch und der Hauptgrund, warum diese Denkmäler bis heute stehen geblieben sind (sofern sie nicht während der deutschen Besatzung zwischen 1940 und 1944 abgebaut und eingeschmolzen wurden), ist, dass von Anfang an ein allgemeiner Konsens über sie bestand. Die Planung und Finanzierung von Denkmälern in Frankreich werden weder rein kommunal noch rein staatlich gesteuert. Das zuvor erwähnte Gesetz von 1919 sieht staatliche Zuschüsse proportional zu den finanziellen Aufwendungen der Gemeinde vor. Der Staat beteiligt sich mit bis zu 15 % an den Einrichtungskosten und macht die Höhe seines Beitrags auch von der Auswahl der im Katalog angebotenen Motive abhängig.
Auf lokaler Ebene übertrugen die Bestimmungen des Gesetzes von 1919 die Verantwortung für die Organisation der Zeremonien nicht den staatlichen Institutionen selbst, sondern den verschiedenen Soldatenverbänden - d. h. in erster Linie der mächtigen, noch heute aktiven „Union nationale des combattants" (Nationale Vereinigung der Kriegsteilnehmer). Außerdem sollte verhindert werden, dass diese Gedenkveranstaltungen zu einer Gelegenheit für eine militärische Geste werden. Aus diesem Grund haben der 11. November und die lokalen Gedenkfeiern auch heute noch den Charakter einer zivilen und nicht militärischen Zeremonie und eines dauerhaften Moments, der nicht dem Ruhm, sondern der Trauer Frankreichs um seine gefallenen Söhne gewidmet ist.
Anders als in Deutschland gab es in Frankreich nie einen nennenswerten Konflikt um diese Trauer, auch weil alle Franzosen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, der Meinung waren, dass ihr Land einen reinen Verteidigungskrieg geführt hatte. Dies erklärt, warum es nie einen „Stellungskrieg der Denkmäler" gab, auch wenn natürlich lokale Meinungsverschiedenheiten darüber aufkamen, welcher Art von Denkmal man den Vorzug geben sollte. Eine Gewissheit war und ist bis heute unerschütterlich geblieben: Im Ersten Weltkrieg verteidigten die Poilus gemeinsam „den heiligen Boden des Vaterlandes" (so die Marseillaise) gegen die deutschen Invasoren. Dies ist auch der Grund, warum Schlachten wie die an der Marne und bei Verdun fest im kollektiven Gedächtnis der Franzosen verankert sind.
Der 11. November im Wandel der Zeit, Geschichte einer französischen Erinnerung
Der 11. November wurde in Frankreich durch das Gesetz vom 24. Oktober 1922 zum offiziellen Gedenktag und Feiertag erklärt. Dieser nationale Tag, der in Form einer Militärparade und einer Zeremonie am Triumphbogen in Paris begangen wird, ist bis heute institutionalisiert. Seit dem Tag, an dem am 11. November 1918 der offizielle Waffenstillstand verkündet wurde, strömten die Menschen spontan zu diesem Ort, um ihrer Freude freien Lauf zu lassen. Ein Jahr später fand die erste offizielle Veranstaltung statt, bei der die Kriegsversehrten in der ersten Reihe standen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass dieser Tag trotz aller Militärparaden ohne den geringsten Triumphalismus verlief. Wie Antoine Prost aufzeigte, haben sich die Veteranenverbände darum bemüht, dass diese Gedenkzeiten immer Feiern zum Gedenken an die gefallenen Kameraden bleiben und nicht zu Siegesfeiern umfunktioniert werden.
Zeremonie am 11. November 1968 in Anwesenheit des Staatschefs General de Gaulle. © Jacques Boissay/akg-images
Davon zeugt insbesondere die Beisetzung des Leichnams eines unbekannten Soldaten (der in Verdun gefallen war) am 11. November 1920 unter dem Triumphbogen. Ein Jahr später wurde die ewige Flamme über diesem Grab durch den Kriegsminister André Maginot entzündet. Seitdem wird diese jeden Tag um 18:30 Uhr von Vertretern der Kriegsveteranen neu entzündet. Die Bedeutung, die der Zeremonie des 11. Novembers beigemessen wird, hat sich zweifellos in den verschiedenen Zeiträumen verändert. So nahmen 1938, als die nationale Einheit vor dem Hintergrund drohender Kriege besonders in den Vordergrund gerückt worden war, Delegationen von Kriegsveteranen aus ganz Frankreich an den Märschen teil und entzündeten gemeinsam unter dem Triumphbogen ihre mitgebrachten brennenden Fackeln. Oder 1940, als diese Gedenkstätte zum Ausgangspunkt einer großen Demonstration gegen die deutschen Besatzer wurde. Oder 1944, als General de Gaulle nach der Befreiung von Paris zusammen mit Winston Churchill die Parade anführte, war eine ganz andere Atmosphäre zu spüren als 1920. Zu diesem Zeitpunkt ging es darum, die Freude und den Stolz über die Befreiung vom Nationalsozialismus zum Ausdruck zu bringen. 1968 wiederum wurde nicht nur der 50. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs gefeiert, sondern auch die nationale Geschlossenheit gegen die Studentenbewegung zum Ausdruck gebracht, die die französische Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt tief gespalten hatte. Auch 2018 hatte Präsident Macron die Idee, die Zeremonie gewissermaßen zu internationalisieren. Aus diesem Grund lud er alle Staats- und Regierungschefs der Nationen, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten, dazu ein, Kränze niederzulegen und die ewige Flamme unter dem Triumphbogen zu entzünden. Es war eine großartige Veranstaltung, die einen noch stärkeren symbolischen Charakter hätte haben können, wenn beispielsweise der amerikanische Präsident, der britische Premierminister oder die deutsche Bundeskanzlerin gemeinsam mit dem französischen Präsidenten und in einer gemeinsamen Geste die Flamme der Erinnerung entzündet hätten.
Auf dem Weg zu einem europäischen Gedenken an den Großen Krieg?
Es gab auch zukunftsweisende Initiativen für den Aufbau einer gemeinsamen Erinnerung an den Krieg. Die Geschichte des Beinhauses von Douaumont ist ein charakteristisches Beispiel dafür. Das Beinhaus war ab 1920 auf Initiative des Bischofs von Verdun errichtet worden. Es wurde größtenteils durch Spenden von französischen Gemeinden finanziert. Der Ort wurde 1927 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und 1932 mit großem Pomp eingeweiht und blieb nicht nur ein zentraler Punkt der französischen Erinnerung, sondern wurde auch zum Ort internationaler Friedensveranstaltungen. Insbesondere die Versammlung von 10.000 französischen und deutschen „Verdun-Kämpfern" im Jahr 1936, die hier den Schwur leisteten, dass alle, die Verdun erlebt hatten, für immer den Frieden zwischen den Völkern verteidigen würden. Dies war leider eine Illusion, da dieser Friedensschwur kurz darauf durch Hitlers Angriffskrieg gebrochen wurde. 50 Jahre später jedoch, im Jahr 1984, gedachten François Mitterrand und Helmut Kohl der Opfer vor dem Beinhaus, indem sie sich an den Händen hielten - eine unvergessliche Geste. Es war bereits bekannt, dass die Hälfte der Gebeine der 140.000 unbekannten Soldaten, die hier zusammengetragen wurden, die sterblichen Überreste deutscher Soldaten waren, woran sich jedoch kaum jemand öffentlich zu erinnern wagte. Dieses Versäumnis wurde 2016 nachgeholt, als Angela Merkel und François Hollande im Rahmen einer bewegenden Zeremonie die riesige Inschrift in der Kuppel der Vorhalle des Beinhauses enthüllten, die nun das gemeinsame Gedenken in Stein gemeißelt festhält: „Hier ruhen französische und deutsche Soldaten. Lasst uns niemals vergessen."
François Hollande und Angela Merkel entzünden die Flamme im Beinhaus von Douaumont anlässlich des 100. Jahrestags der Schlacht von Schlacht von Verdun, 29. Mai 2016.
© Mathieu Cugnot/Pool/AFP
Damit stellt sich die Frage, ob es eine Möglichkeit gibt, dass wir beim Gedenken an den Ersten Weltkrieg die nationalen Grenzen überwinden und sogar zu einem gemeinsamen europäischen Gedenken als einem wesentlichen Baustein der europäischen Einheit gelangen. Ich glaube nicht, dass wir zu einem absolut gemeinsamen Gedenken gelangen können. Die Art und Weise, wie die verschiedenen Nationen den Ersten Weltkrieg erlebt haben, ist viel zu unterschiedlich. Und die langen Phasen des Erinnerns und Nachdenkens, aber auch des Vergessens, waren historisch gesehen viel zu prägend.
Es ist jedoch möglich und wünschenswert, dass man in Europa die Gedenktraditionen der europäischen Nachbarn aufgreift und sie als Teil einer gemeinsamen Geschichte anerkennt. Ein erstes erfreuliches Beispiel für diesen Ansatz ist die Errichtung einer Gedenkstätte durch die Region Nord-Pas-de-Calais gegenüber der Nekropole Notre-Dame-de-Lorette auf einem Grundstück, das der Region vom Staat überlassen wurde: der Ring der Erinnerung, auf dem die Namen von 580.000 im Artois gefallenen Soldaten aus allen beteiligten Nationen verzeichnet sind. Hier wird symbolisch nur der Toten gedacht. Angesichts dieser Flut von Namen, ohne den geringsten Slogan oder eine explizite Aussage, versteht der Besucher die Lehre, die es zu ziehen gilt: Eine solche Katastrophe darf sich nie wieder wiederholen.
Ein weiteres wegweisendes Beispiel für den Aufbau eines internationalisierten Gedenkens an den Ersten Weltkrieg ist das deutsch-französische Geschichtsmuseum des Großen Krieges auf dem Hartmannswillerkopf (Vieil Armand), das 2017 von den Präsidenten Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier eingeweiht wurde, nachdem der Grundstein bereits 2014 von den deutschen und französischen Staatschefs François Hollande und Joachim Gauck gelegt worden war. Der Krieg auf diesem Gipfel der elsässischen Berge bestand aus einer Konfrontation von ausschließlich französischen und deutschen Truppen, die jeweils das so hart umkämpfte Land verteidigten. Dieser Ort war also prädestiniert dafür, ein großes Symbol für die deutsch-französische Freundschaft im europäischen Einigungsprozess zu werden.