Das Gedenken an die Märtyrerdörfer: Oradour-sur-Glane
Die Gedenklandschaft in Oradour-sur-Glane beeindruckt durch ihre Einzigartigkeit. Kurz nach dem Krieg wird beschlossen, die Ruinen des Dorfes „unverändert“ zu erhalten. In den darauffolgenden Jahren wurde die Instandhaltung für viele Akteure von Vereinigungen und im Staat zur Herausforderung, die einen Nachdenkprozess über die Spuren der Traumata des Krieges in der Landschaft erforderte.
Bei der Geschichte von Oradour-sur-Glane geht es um einen Marktflecken im Limousin, in dem am Nachmittag des 10. Juni 1944 die Division der Waffen-SS Das Reich 642 Menschen hinschlachtet, darunter 205 Männer, 244 Frauen und 193 Kinder, die Gebäude plündert und anzündet sowie die Leichen verschwinden lässt. Jahrelang bestand der Hauptteil der Gedenklandschaft von Oradour daher aus einer Ansammlung von Ruinen, die es so in Europa sonst nirgends gibt - mehr als 15 ha zerstörte Bauten - die im Rahmen des Denkmalschutzes speziellen Erhaltungsvorschriften unterliegen - „unverändert zu erhaltende Ruinen“.
Die Ortschaft Oradour-sur-Glane heute. © E. Rabot/SGA/COM
Noch vor Ende des Krieges wurden Maßnahmen zum Schutz der Ruinen ergriffen, einschließlich des geplanten Wiederaufbaus eines neuen Dorfes in der Nähe. Am 4. März 1945 beabsichtigte General de Gaulle, das Märtyrerdorf zum „Symbol der Leiden des französischen Volkes während der vier Besatzungsjahre“ zu machen. Im Jahr darauf wurde ein Gesetzesentwurf „über die Erhaltung der Ruinen und den Wiederaufbau von Oradour-sur-Glane“ ohne Debatte in der Nationalversammlung angenommen. Die Ruinen „unverändert“ zu erhalten, war nicht selbstverständlich. Die Relikte mussten umgestaltet werden - Errichtung einer Umfriedungsmauer, Schutz der Kirche und der Mauern mehrerer Häuser vor Witterungseinflüssen, Aufräumen der Straßen und Verfestigung der Ruinen, die einzustürzen drohten - ohne das Aussehen zu verändern. So erhielt der Marktflecken diese instandgehaltene Ruinenlandschaft, zu der im Laufe der Jahre Hunderttausende Besucher pilgerten.
Der Staat beschloss in den 1950er-Jahren, in der Nähe der Ruinen eine Gedenkstätte zu errichten. Dieses Gebäude des Architekten Jean Creuzot ist eine viereckige Krypta mit vier rechteckigen Chorkapellen, die zu zwei Drittel eingegraben sind und auf die Terrasse führen, die ihr Dach bildet, mit einem stilisierten Dolmen als Opfersymbol, all dies zu einem großen Vorplatz geöffnet. Die Krypta sollte die Asche der Toten beherbergen, der äußere Teil die Gedenkfeierlichkeiten. Aber daraus wurde nichts, denn zur selben Zeit ging der Prozess von Bordeaux zu Ende, der ein neuerliches Trauma für die Familien der Opfer war, die dieses Denkmal verlangten, „um der Welt zu beweisen, dass Frankreich ein Land des Kultes der Erinnerung und der Ehre ist“, wie es der Präsident der Nationalen Vereinigung der Familien der Märtyrer am 10. Juni 1947 ausdrückte.
Tatsächlich stellte der Prozess von 1953 niemanden zufrieden und eröffnete einen innerfranzösischen Konflikt, dessen Spuren immer noch spürbar sind. Die Tatsache, dass sich innerhalb der SS-Kräfte aus dem Elsass stammende Franzosen befanden, von denen einige zwangseingezogen worden waren und schlussendlich amnestiert wurden, verhinderte die Formulierung einer Vergebung und de facto das Ende der Trauerarbeit in Oradour. Die Gedenkstätte wurde daher abgelehnt. Die sterblichen Überreste der Opfer wurden in den oberen Teil des Gemeindefriedhofs verlegt und in einer Gruft bestattet, die als Grab der Märtyrer bezeichnet wird. Darüber wurde ein Beinhaus errichtet, das aus zwei gläsernen Särgen besteht. Eine hohe Laterne und die Präsentation der sterblichen Überreste der Opfer machten das gesamte Denkmal zu einem Negativ der Gedenkstätte. Dort sollten auch die Gedenkfeiern abgehalten werden.
Ab 1953 wurde die Gedenklandschaft daher in drei bestimmte Bereiche unterteilt: ein in Europa einzigartiges historisches Denkmal, eine nicht verwendete Krypta mit Vorplatz und ein Gemeindefriedhof, auf dem sich das Grab der Märtyrer befand, zu dem sich im Laufe der Jahre zahlreiche Votivtafeln gesellten.
Diese Anordnung veränderte sich erst nach 1970, als sich die Vereinigung der Familien die Krypta der Gedenkstätte wieder aneignete, um dort Vitrinen mit persönlichen Gegenständen der Opfer aufzustellen, die in den Ruinen der Häuser gefunden wurden und fast wie Reliquien waren.
Die Veränderung des historischen Denkmals zu einer möglichen musealen Resonanz ließ einen vierten Ort entstehen, das Centre de la mémoire, das die Landschaft insgesamt vervollständigte und sogar teilweise veränderte, indem eine Verbindung mit dem neuen Marktflecken möglich wurde. Das Märtyrerdorf wurde im Laufe der Jahre mehrmals umgestaltet. Dies könnte man auch als Landschaftsgestaltung sehen, auch wenn der Begriff nicht verwendet wurde; der Straßenbelag wurde erneuert, das Gras der freien Bereiche wurde gemäht, die Hecken und Vegetation der Gärten und Mauern wurden geschnitten und entlang des Vorplatzes des Martyriums wurden Bäume gepflanzt.
Centre de la mémoire à Oradour-sur-Glane. © C. Janot/Agefotostock
Die Ruinen des Marktfleckens muteten auf Grund dieser Veränderungen und der verschwundenen schwarzen Spuren der Brände sowie der Reinigung der Steine durch den Regen in den 1990er-Jahren wie die Reste eines friedlichen Dorfes aus den 1930er-Jahren an und nicht mehr wie der Ort unglaublicher Gewalt. Daher wurde beschlossen, in einem eigenen Gebäude einen Besucherraum einzurichten, der bei seiner Eröffnung 1999 vom Staatspräsidenten den Namen Centre de la mémoire (Gedenkzentrum) erhielt. Dieser Ort sollte den Besuchern eine wissenschaftliche Dokumentation des Massakers bieten, damit sie ihre Umgebung besser erfassen konnten.
Das Gebäude wurde so geplant, dass es sich bestmöglich in die Gedenklandschaft einfügt. Als eingegrabene Halbkuppel, von der nur rostige Metallstäbe herausragen, die für das Zerreißen des Raumes durch die Nazi-Gewalt stehen, verstärkt diese Einrichtung die Botschaft der Ruinen, die unerlässlich bleiben und nicht verborgen werden. Dieses neue Gebäude stellte eine echte Verbindung zwischen den Ruinen und dem neuen Marktflecken her, die sich den Rücken zuwandten. Nun verbindet ein großer Vorplatz die Kirche des neuen Oradour mit dem Märtyrerdorf.
Obwohl voneinander getrennt, bildet die Gedenklandschaft von Oradour, die ständig gewachsen ist, heute ein gegliedertes Ganzes, das jedes Jahr von fast 300.000 Menschen besucht wird.