Der rechtliche Rahmen der Auslandsoperationen
Es gibt keinen rechtlichen Rahmen für Auslandsoperationen, nicht einmal eine rechtliche Definition. Frankreich engagiert sich seit mehr als fünfzig Jahren militärisch an Schauplätzen, die zu Konflikten und Interventionen verschiedener Art führen und erfordern, dass sich der rechtliche Rahmen anpasst. Außerdem ist das Recht in jeder Phase, von der Entscheidung des Staatschefs, des Oberbefehlshabers der Streitkräfte, bis zum Ablauf der Auslandsoperation, präsent, ungeachtet dessen, ob es sich um die Rechtfertigung der Anwendung bewaffneter Gewalt, um die Planung ihrer Aktion oder den Schutz der Soldaten handelt.
Was ist eine Auslandsoperation?
Mit dem Ausdruck “Auslandsoperation” lassen sich die Interventionen der Streitkräfte im Ausland im Sinne von Artikel 35 der Verfassung von 1958 bezeichnen. Seit der Verfassungsreform von 2008 verpflichtet dieser Artikel die Regierung, das Parlament über ihre Entscheidung der Entsendung der Streitkräfte ins Ausland spätestens drei Tage nach Beginn der Intervention zu informieren und schreibt ihr bei einer Dauer von mehr als vier Monaten vor, deren Verlängerung dem Parlament zur Genehmigung vorzulegen. Im Zuge der Prüfung des Verfassungsgesetzesentwurfs hat der Gesetzgeber festgestellt, dass der “Begriff Intervention das umfasst, was man gemeinhin mit dem Wort ‚Auslandsoperationen' bezeichnet, die üblicherweise als Operationen definiert werden, die eine Verlegung von Männern außerhalb des Hoheitsgebiets erfordern, an einen Krisenschauplatz, an dem der Friede geschützt oder wiederhergestellt werden soll. Aber er kann auch die Operationen mit humanitärem Charakter bezeichnen und gibt vor allem nicht die Information des Parlaments wieder, die von der rechtlichen Beurteilung einer Operation abhängt, wie es die Entschädigung des Personals sein kann, das in Auslandsoperationen eingesetzt wird, gemäß Artikel L. 4123-4 des Verteidigungsgesetzes” (Bericht Nr. 892 vom 15. Mai 2008, Nationalversammlung).
Der Ausdruck “Auslandsoperation” stammt wahrscheinlich aus dem Gesetz vom 30. April 1921, mit dem ein spezielles Kriegskreuz für Schauplätze von Operationen im Ausland geschaffen wurde. Damals handelte es sich um die Bezeichnung dessen, was für die Staaten noch ein normales Instrument ihrer Außenpolitik war.
Zum Verbot der Anwendung von Gewalt
Das Ausmaß der durch den Ersten Weltkrieg hervorgerufenen Katastrophe führte zur Entwicklung des internationalen Rechts in diesem Bereich. 1919 versuchte der Pakt des Völkerbunds die Anwendung von Gewalt zu begrenzen, insbesondere indem er den Angriffskrieg für unrechtmäßig erklärte. Der Briand-Kellogg-Pakt (1928) ging noch weiter: das Mittel des Krieges in allen Formen wird verurteilt, mit Ausnahme der Selbstverteidigung.
Die Charta der Vereinten Nationen besiegelt 1945 das Kriegsverbot, indem es dieses auf jede Anwendung von Gewalt ausdehnt, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist, was zu einem echten Umbruch des internationalen Rechts führte.
Das von der Charta festgelegte oder aus ihrer praktischen Anwendung hervorgehende System (die friedenserhaltenden Operationen waren von der Charta zum Beispiel nicht vorgesehen) bildet heute in umfassenderer Weise als jenes des Völkerbundes den Rahmen für unsere Auslandsoperationen:
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Die Charta verpflichtet die Staaten ausdrücklich, ihre Streitfälle friedlich beizulegen (Artikel 2 § 3) und verbietet ihnen dementsprechend die Anwendung bewaffneter Gewalt (Artikel 2 § 4) ohne Genehmigung durch den Sicherheitsrat (Artikel 39 und 42). Bei der Reaktion auf Krisen, die er als “Bedrohung oder Bruch des Friedens oder Angriffshandlung” qualifiziert, ist der Sicherheitsrat für die Ergreifung der notwendigen Präventiv- (Kapitel VI der Charta) oder Zwangsmaßnahmen zuständig, insbesondere bewaffneter Art (Kapitel VII). Der Sicherheitsrat kann einem Staat oder einer internationalen Organisation (Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO), Europäische Union...) das Mandat zur Umsetzung dieser Maßnahmen erteilen.
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Für das Verbot des Waffeneinsatzes gibt es nur eine Ausnahme: die individuelle oder kollektive Selbstverteidigung (Artikel 51), die jedem Staat als Reaktion auf einen bewaffneten Angriff zusteht. Die Resolution 3314 der Generalversammlung der Vereinten Nationen definiert den bewaffneten Angriff als Anwendung bewaffneter Gewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates.
Streitkräfte, die mehreren Rechtsordnungen unterliegen
Die französischen Streitkräfte können auch auf Ersuchen eines Staates eingreifen, der in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Die Intervention der Streitkräfte im Ausland wird im Falle eines bewaffneten Konflikts auch vom humanitären Völkerrecht oder Kriegsrecht geregelt.
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Wenn der Konflikt als bewaffneter internationaler Konflikt eingeordnet wird (Auseinandersetzung zwischen den Streitkräften von mindestens zwei Staaten, Kampf gegen eine fremde Besatzung), gelten vor allem die vier Genfer Konventionen (1949), das Zusatzprotokoll I (1977) und die Regeln des Kriegsrechts (“Recht von Den Haag”).
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Innerstaatliche bewaffnete Konflikte hoher Intensität (längere Auseinandersetzung zwischen Regierungsstreitkräften und organisierten nichtstaatlichen Kräften, die Befehlshabern unterstehen und ein Gebiet kontrollieren) werden durch den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen und deren zweitem Zusatzprotokoll geregelt.
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Das humanitäre Völkerrecht, das für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt geringer Intensität gilt (längere Auseinandersetzung zwischen Regierungsstreitkräften und einer oder mehreren organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen), wird ausschließlich durch den gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen geregelt.
Computergrafik © SGA/COM/IDIX
Die im Ausland eingreifenden französischen Streitkräfte unterliegen ebenfalls sowohl dem innerstaatlichen Recht des Staates, auf dessen Hoheitsgebiet sie sich befinden, als auch dem französischen Recht, wenn es anzuwenden ist. Dies gilt vor allem für das französische Strafrecht. Die gleichzeitige Anwendung des Rechts des Gastlandes und des französischen Rechts wird dabei generell durch ein internationales Abkommen über die Rechtsstellung der Einsatzkräfte (SOFA) geregelt. Im Falle einer Teilnahme der französischen Streitkräfte an einer multinationalen Operation ermöglicht das SOFA auch die Beilegung von Streitfällen, die zwischen den Kontingenten der an dieser Operation teilnehmenden Nationen auftreten könnten. Das Londoner Übereinkommen über die Rechtsstellung der Einsatzkräfte der Staaten des Nordatlantikvertrags (1951) ist ein Beispiel für solche Bestimmungen.
Wenn die Operation in einem anderen Kontext als dem eines bewaffneten Konflikts (zum Beispiel einem humanitären Einsatz) abläuft, gelten daher das lokale Recht, teilweise das französische Recht und das internationale Menschenrecht.
Die rechtliche Vielfalt der Auslandsoperationen
Frankreich verzeichnete zwischen den 1960er-Jahren und dem Anfang der 1990er-Jahre etwa dreißig Einsätze, vorwiegend in Afrika, um auf das Ersuchen verbündeter Staaten (Tschad) zu reagieren oder seine Staatsangehörigen zu schützen (Kolwezi, 1978). Im Zeitraum zwischen dem Fall der Berliner Mauer (1989) und dem Zerfall der Sowjetunion sowie des Warschauer Pakts (1991) fanden mehr als hundert militärische Interventionen statt. Manche dieser Operationen wurden als internationale bewaffnete Konflikte bezeichnet. Dies war der Fall im Golfkrieg 1990-1991 oder bei der Militärintervention gegen Libyen 2011, die auf Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen unter Anwendung von Kapitel VII der Charta durchgeführt wurden. Andere Operationen wurden nicht als internationale bewaffnete Konflikte bezeichnet:
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Die Militärinterventionen Frankreichs in Mali und in den Nachbarstaaten zur Bekämpfung der bewaffneten Gruppen, die die Stabilität und Zivilbevölkerung Malis bedrohten, sowie im Nahen Osten gegen den IS spielen sich im Kontext eines Konflikts mit hoher Intensität ab.
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Die Unterstützung der Zentralafrikanischen Republik in ihrem Kampf gegen rivalisierende Gruppen in ihrem Hoheitsgebiet durch die französischen Streitkräfte fand im Kontext eines Konflikts mit geringer Intensität statt.
Die Beurteilung der Situation, in der die französischen Soldaten im Ausland eingreifen, durch das internationale Recht bestimmt auch im französischen Recht die Rechtslage in Bezug auf die Anwendung von Gewalt durch diese Soldaten.
Rechtsstellung der Soldaten bei Auslandsoperationen
Die zu Auslandsoperationen entsandten Soldaten haben das Recht zur Selbstverteidigung (Artikel 122-5 des Strafgesetzbuches). Sie können seit der allgemeinen Regelung für Militärangehörige von 2005 auch die strafrechtliche Rechtfertigung nutzen, die heute in Artikel L. 4123-12 des Verteidigungsgesetzes vorgesehen ist: “Ein Soldat, der unter Einhaltung der Regeln des internationalen Rechts sowie im Rahmen einer Operation mit militärischen Mitteln Zwangsmaßnahmen ausübt oder bewaffnete Gewalt außerhalb des französischen Hoheitsgebiets oder der französischen Hoheitsgewässer einsetzt, oder dazu den Befehl gibt, unabhängig von ihrem Ziel, ihrer Dauer oder ihrem Umfang, einschließlich der Befreiung von Geiseln, der Evakuierung von Staatsangehörigen oder der Ordnung auf hoher See, kann nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, wenn dies zur Ausübung seiner Mission notwendig ist.”
Der Umfang dieser strafrechtlichen Rechtfertigung, die den Einsatz tödlicher Gewalt abseits der Selbstverteidigung ermöglicht, wird hinsichtlich des Schutzes gegen das Risiko einer Strafe für denjenigen, der Gewalt oder Zwangsmaßnahmen anwendet, nur maximiert, wenn die Operation im Kontext eines bewaffneten Konflikts verläuft. Die französischen Soldaten werden nicht durch die Bedingungen der Selbstverteidigung eingeschränkt, wenn die Operation im Ausland stattfindet und über eine einfache Polizeimission hinausgeht, da ihnen ja das Mandat der Streitfkräfte (insbesondere durch die UNO) erlaubt, “alle notwendigen Maßnahmen” zu ergreifen, um ihre Mission durchzuführen und sie vor allem berechtigt, tödliche Gewalt unter den Bedingungen des Kriegsrechts anzuwenden. Dasselbe gilt im Bereich des Vertragsrechts: denn Artikel 15 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sieht vor, dass Abweichungen vom Recht auf Leben gemäß Artikel 2 im Falle “rechtmäßiger Kriegshandlungen” möglich sind.
Schließlich wird der rechtliche Rahmen einer Auslandsoperation durch die Anweisungen an die entsandten Militäreinheiten ergänzt, In diesen werden die Umstände und Bedingungen, unter welchen sie Gewalt anwenden dürfen (operative Einsatzregeln) und das individuelle sowie kollektive Verhalten im Dienst und außerhalb des Dienstes (Verhaltensregeln) genau beschrieben.
Leitender Kommissar 1. Klasse Pierre Ferran - Direktion für juristische Angelegenheiten im Verteidigungsministerium
Augenzeugenbericht
Hauptkommissar Julien D.
(Legal Adviser)
“2015 wurde ich als Legal Adviser für drei Monate in den Nahen Osten entsandt. Meine Aufgabe bestand in der Beratung der französischen Befehlshaber bei der Planung und Durchführung der Operationen. Dabei musste ich beim Einsatz der Luftwaffe unter Einhaltung des Kriegsrechts die unmittelbaren Situationen rechtlich beurteilen und eine befürwortende (oder ablehnende) Stellungnahme in Bezug auf den Einsatz von Gewalt durch unsere Flugzeuge geben. Diese Beratung soll die Gefahr von Kollateralschäden im Zusammenhang mit der Justizialisierung und Medienberichterstattung eindämmen.
Diese Beurteilung beruht auf dem Bestehen und dem Beweis von Kriterien, die aus konkreten Tatsachen hervorgehen. Außerdem gilt es, die über Drohnen und die Kommunikation mit den Bodentruppen verfügbaren Daten schnell zu verwenden, um die Beratung in einem Umfeld liefern zu können, in dem die Geschwindigkeit der Luftwaffe entscheidend und die detonierte Munition sowohl in der Wüste als auch in den Städten sehr tödlich ist. Eine schwierige Aufgabe, die Sorgfalt und schnelle Reaktion erfordert.”
Veteranenausweis für die Soldaten von Auslandsoperationen
Seit seiner Gründung im Jahr 1916 ist das Office national des anciens combattants et victimes de guerre (ONACVG) (Nationales Büro der Kriegsveteranen und Kriegsopfer) für die Umsetzung der politischen Maßnahmen der Anerkennung und Entschädigung zuständig, insbesondere durch die Zuerkennung des Veteranenausweises, der unter anderem zum Tragen des Croix du combattant (Frontkämpferkreuz) berechtigt.
Mit dem Gesetz vom 19. Dezember 1926 wurde der Veteranenausweis für die im Ersten Weltkrieg eingesetzten Männer geschaffen, aber auch für jene, die im preußisch-französischen Krieg von 1870 kämpften. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Bestimmungen auf die Kämpfer von 1939-1945 ausgeweitet, dann 1952 auf jene, die in Indochina und Korea im Einsatz waren und 1974 auf die an den Kämpfen in Nordafrika beteiligten Soldaten.
Feierliche Verleihung des Croix du combattant an ehemalige Soldaten der Auslandsoperationen. © R. Pellegrino/ECPAD
Mit der Vervielfachung der Auslandsoperationen seit den 1990er-Jahren stellte sich rasch das Problem der Wiedergutmachung und Anerkennung für diese neue Soldatengeneration, die gleichzeitig mit der Professionalisierung der französischen Armee entstand. So sieht das Gesetz vom 4. Januar 1993 vor, dass die an die Schauplätze der Operationen entsandten Frauen und Männer den Veteranenausweis zu denselben Bedingungen wie ihre Vorgänger erhalten können. Der Erlass vom 12. Januar 1994 präzisiert die betroffenen Schauplätze der Operationen und die zu berücksichtigenden Zeiträume. Seit 1. Januar 2014 stehen die Ansprüche auf den Veteranenausweis für eine bestimmte Operation zu den vorhandenen Zuteilungsbedingungen offen. Schließlich wurden ab 1. Oktober 2015 die Zuteilungskriterien des Veteranenausweises erweitert: nun muss eine Opex-Einsatzdauer von mindestens vier Monaten (oder 120 Tagen) nachgewiesen werden, um dieses Recht beanspruchen zu können.
Der Veteranenausweis kann daher jenen Personen zugeteilt werden, die eine der folgenden Bedingungen erfüllen: eine Präsenz von 90 Tagen in einer Kampfeinheit; die Teilnahme an neun Waffen- oder Kampfhandlungen; die individuelle Teilnahme an fünf Waffen- oder Kampfhandlungen; eine Einsatzdauer von mindestens vier Monaten (oder 120 Tagen) in dem oder den berücksichtigten Gebiet(en).
Anspruch auf den Veteranenausweis haben auch Kriegsverwundete und vergleichbare Personen, die Inhaber einer individuellen Belobigung mit einem Kreuz sind, oder auch die Gefangenen des Gegners unter bestimmten Voraussetzungen der Dauer der Präsenz in einer Kampfeinheit. Seit 1993 wurden 149.190 Veteranenausweise ausgestellt. Der Ausweis berechtigt zur Rente des Soldaten ab 65 Jahren.
Quelle: ONACVG