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Die Wannsee-Konferenz

Sous-titre
Dienstag, 20. Januar 1942

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Die Villa Marlier in Wannsee, in der die Konferenz stattfand.
La villa Marlier à Wannsee où se déroula la conférence. Source : GNU Free Documentation License

 

Die Wannsee-Konferenz gilt, auch wenn die Historiker darüber diskutieren, als jenes Treffen, bei dem die „Endlösung der Judenfrage“ beschlossen wurde. Denn sie legt diesbezüglich die Macht Heydrichs fest, bringt die Hauptverantwortlichen der Ausrottung zusammen und plant die Vernichtung.

Corps 1

 

Eine Definition der „Endlösung“ der Judenfrage

 

Karte der wichtigsten Konzentrations- und Vernichtungslager. Quelle SGA/DMPA

Die von Reinhardt Heydrich, dem Stellvertreter Heinrich Himmlers und Leiter des RSHA (Reichsicherheitshauptamts), einberufene Konferenz fand am 20. Januar 1942 statt und dauerte, laut dem Bericht von Adolf Eichmann, zwischen einer Stunde und einer Stunde dreißig. Es nahm eine beschränkte Zahl von Protagonisten teil, die praktisch die gesamte Ministerialbürokratie und den für die „Endlösung“ verantwortlichen Nazi-Apparat repräsentierten.

 

Reinhardt Heydrich, Leiter des Reichssicherheitsamtes. Quelle: Deutsches Bundesarchiv

 

Das Protokoll ist eindeutig: „Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird. Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen, da dieser, eine natürliche Auslese darstellend, bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen ist (Siehe die Erfahrung der Geschichte.) (1)

Dieser Auszug aus dem Protokoll, das hauptsächlich von Adolf Eichmann verfasst wurde, wird oft zitiert, da er den Vorzug hat, ziemlich klar zu sein. Der Ausdruck „Endlösung“ ist hier definiert. Die „arbeitsfähigen Juden“, wie sie oft bezeichnet werden, sollen über das menschliche Fassungsvermögen hinaus ausgebeutet werden. Diejenigen, die diese tödliche Arbeit überleben sollten, stellen die größte Gefahr dar. In der biologischen Weltsicht der Nazi bergen sie auf gewisse Weise einen Virusstamm, der die ganze Welt verseuchen kann. Dieser müsse durch eine „Sonderbehandlung“, von der man annehmen kann, dass sie den Tod bedeutet, ausgelöscht werden.

Die Arbeit der Historiker

Jedoch stellen verschiedene Arbeiten, die seit ca. zwanzig Jahren von deutschen und vor allem amerikanischen Historikern durchgeführt werden, die Bedeutung dieser Konferenz in Frage. Für einige, und nicht die Unwichtigsten - wie im Falle von Hans Mommsen in seinem bekannten Artikel „La réalisation de l'utopique: la "solution finale de la question juive" sous le Troisième Reich“ (2) (Die Verwirklichung der Utopie: die „Endlösung der Judenfrage“ im Dritten Reich“) - gab es hier im eigentlichen Sinne nie einen Beschluss Hitlers. Für andere, die hier einen Beschluss sehen, wurde dieser schon früher gefasst: die Konferenz findet statt, als ein Großteil der Juden, insbesondere jene der Sowjetunion, bereits ermordet worden war und die Tötung mit Gas begonnen hatte, da die Lastwagen seit dem 7. Dezember 1941 nach Chelmno nad Nerem fahren, das von den Nazis in Kulmhof umbenannt wurde und ca. 70 km westlich von Lodz, damals Litzmannstadt, liegt. Für wenige andere, denen selten gefolgt wird und die sich im Wesentlichen auf den Tötungskalender von Auschwitz stützen, liegt der Beschluss später und geht auf das Frühjahr 1942 zurück. Sie alle relativieren jedoch die Bedeutung von Wannsee.

 

Ghetto von Lodz. Der Stern kennzeichnet die Juden. Quelle: DR

 

Ein junger deutscher Historiker, Christian Gerlach, hat diese Konferenz in einem Text untersucht, der von der Dynamik der Forschung und Diskussion in Deutschland zeugt (3). Er stützt sich auf Quellen, insbesondere die Tagebücher Himmlers, die kürzlich nach deren Auffindung in Archiven in Moskau und deren Veröffentlichung in Deutschland ans Licht kamen. Heydrich beruft diese Versammlung unter Federführung des RSHA ein, um das Problem der „Endlösung der Judenfrage“ zu besprechen. Die Konferenz beginnt mit der Ankündigung, dass Heydrich, der Leiter der Sicherheitspolizei und der SD, von Göring für den Posten des „Bevollmächtigten zur Vorbereitung der Endlösung des Problems der Juden in Europa“ nominiert wurde. Denn Göring, der bis dahin mit der Koordination des antijüdischen Programms beauftragt war, hatte am 31. Juli 1941 ein Schriftstück unterzeichnet, in dem Heydrich „die Aufgabe“ übertragen wurde, „alle Vorbereitungen zu treffen“, die „für eine Lösung der gesamten jüdischen Frage im deutschen Einflussbereich in Europa“ notwendig sind. Er forderte ihn außerdem auf, ihm „in Kürze“ einen Gesamtplan über die Maßnahmen vorzulegen, die im Vorfeld für die Ausführung dieser Endlösung notwendig sind“ (4). Wie Philippe Burin bemerkt, ging es hier darum, das Mandat Heydrichs zu vervollständigen, den er am 24. Januar 1939 mit dem Auftrag zur Durchführung der Auswanderung der deutschen Juden erhalten hatte. Er erteilte ihm jetzt den Auftrag, „das Anwendungsgebiet auf das gesamte Nazi-Europa [...] auszudehnen. „Formell waren die geplanten Lösungen die Auswanderung und Aussiedlung.“

 

Massenverhaftung von Juden in Berlin-Nord. Quelle: Deutsches Bundesarchiv

 

Die Frage der Mischlinge

Für viele Historiker lässt sich das Thema dieser Konferenz damit zusammenfassen, dass die Macht Heydrichs über die „Endlösung der Judenfrage“ von allen anerkannt werde. Sie argumentieren mit der Tatsache, dass eines der breit diskutierten Probleme die Mischlinge betraf, die „Mestizen“ zwischen „Ariern“ und Juden. Eine Hauptfrage, die von einer Besessenheit und Behinderungen zeugt, die sich wiederholen. Wilhem Stuckart, Staatssekretär im Innenministerium, kennt dieses Problem, das bereits bei der Abfassung der Nürnberger Rassengesetze (1935) erhoben wurde, sehr gut. Während die Nazis alle Beziehungen zwischen Juden und der deutschen Gesellschaft auflösen wollen, sind die Mischlinge die lebenden Zeugen der Realität dieser Beziehungen. Ihre Zugehörigkeit „zur Rasse“ in Frage zu stellen, kann zu Protesten und Unruhe in einem Teil der deutschen Gesellschaft führen, mit der sie in familiären Beziehungen stehen. Dies erklärt, dass sich seit 1935 die Experten des Innenministeriums, die für eine gewisse Mäßigung eintreten, und die Parteifanatiker gegenüberstehen.

Die Frage wird in Wannsee neuerlich aufgeworfen. Muss sie während des Krieges geklärt werden oder soll man sie bis zum Ende des Konflikts anhängig lassen? Auch wenn alle darin übereinstimmen, dass jemand als Jude gilt, der drei jüdische Großelternteile hat und jemand kein Jude ist, der einen jüdischen Großelternteil hat, wird viel über jene diskutiert, die zwei jüdische Großelternteile haben. Vom Ergebnis dieser Diskussion hängt das Schicksal von etwa 200.000 Menschen ab, 70.000 bis 75.000 Mischlinge ersten Grades (zwei jüdische Großelternteile), 125.000 bis 130.000 Mischlinge zweiten Grades (nur ein jüdischer Großelternteil). Es wird daher vorgeschlagen, die Mischlinge ersten Grades, die als Juden gelten, „abzustufen“, außer sie sind mit einem bzw. einer Deutschen verheiratet und daher Vater oder Mutter von Mischlingen zweiten Grades oder sie haben Dienste für das deutsche Volk erbracht. Die Mischlinge zweiten Grades gelten, von einigen Ausnahmen abgesehen, als Deutsche. Diese Schlussfolgerungen erscheinen Stuckart ziemlich kompliziert. Für ihn liegt die Lösung ganz einfach in der Sterilisation (5). Diesbezüglich kann man sagen, dass die Konferenz kaum entscheidende Elemente beisteuert. Die Ergebnisse der von Göring im Januar 1939 an Heydrich übertragenen Aufgabe, die Auswanderung der Juden, sind Gegenstand einer Bilanz, die im Protokoll der Konferenz wiedergegeben wird. Es geht darum, „die Auswanderung der auf deutschem Gebiet lebenden Juden zu beschleunigen“, indem ihm die Leitung der Zentralstelle für jüdische Auswanderung anvertraut wird, deren Auftrag es ist „a) alle Maßnahmen zu ergreifen, um eine raschere Auswanderung der Juden vorzubereiten, b) diese Auswanderungsbewegung zu steuern, c) die Auswanderung in allen Sonderfällen zu beschleunigen“. Gemäß Protokoll hat diese Lösung, durch die sich vor allem Adolf Eichmann in Wien, dann in Berlin auszeichnete, 537.000 Juden ermöglicht, das Reich bis zum 31. Oktober 1941 zu verlassen. Jedoch „hat der Reichsführer SS und Leiter der deutschen Polizei ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Gefahren, welche die Auswanderung in Kriegszeiten darstellt, den Juden jede Auswanderung verboten“.

 

Die Villa Marlier in Wannsee, in der die Konferenz stattfand. Quelle: GNU Free Documentation License

 

Die Massaker von 1941 in der Sowjetunion

Auch wenn 537.000 Juden emigrieren konnten, wurde eine etwa gleich große Zahl beim Vormarsch der Wehrmacht in der Sowjetunion durch die Einsatzgruppen getötet, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 im Hintergrund agierten. Im Protokoll der Konferenz findet sich keinerlei Anspielung auf diese Massenmorde durch Erschießung. Jedoch wirft für die Historiker genau diese erste Phase der Tötung von Männern, Frauen und Kindern die Frage der Entscheidung auf, die im Kern des Textes von Gerlach steckt. Wurde damals die Vernichtung beschlossen? Wenn ja, wurde dieser Beschluss vor der Invasion gefasst oder im Verlaufe derselben? Einige von Heydrich unterzeichnete Dokumente deuten darauf hin, dass die Aufgabe der Einsatzgruppen nicht nur darin bestand, wie es 1939 in Polen der Fall war, die Kontrolle über die Bevölkerung vorübergehend sicherzustellen, sondern auch bestimmte Personenkategorien, darunter die Juden, hinzurichten. Diese Juden sind jedoch nicht ALLE Juden, sondern nur jene, die Positionen in der kommunistischen Partei und im sowjetischen Staat innehaben. Für Philippe Burin „veränderte“ sich die Eskalation bei den Judenermordungen „irgendwann zwischen Ende Juli und Ende August tiefgreifend, als Frauen und Kinder in die Massaker einbezogen wurden. [...] Offensichtlich zahlten die Juden zunehmend mit ihrem Leben für die Weiterführung eines Feldzugs, der im September enden sollte“ (6).

Auch wenn mit diesen Massakern unbestreitbar ein Genozid stattfindet, bleibt er regional. Obwohl damals der Beschluss zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung getroffen wurde, gibt es keine Hinweise darauf, dass dieser umfassend ist und auch für die Juden in Westeuropa gilt. Die Frage des eigentlichen Sinns des Ausdrucks „Endlösung“ wird damit aufgeworfen.

 

Wannsee, eine Wende in der Beseitigung der Juden in Europa

Für Gerlach gibt es in Wirklichkeit nur eine „Endlösung“, wenn ausnahmslos alle Juden, insbesondere Staatsangehörige, für die Vernichtung bestimmt sind. Daher lässt sich bei Untersuchung des Schicksals der staatsangehörigen Juden, d. h. der deutschen, die von der Tötung ausgenommen wurden, ein eventueller Beschluss „datieren“.

Heute „ist eine der wichtigen Stätten der Berliner Topographie des Verbrechens zweifelsohne das Haus, das sich Am Großen Wannsee 56-58 erhebt (7). Infolge der Studie von Gerlach wird der Graben kleiner, der sich zwischen einer Geschichte der Gelehrten, welche die Bedeutung von Wannsee herabsetzt, und der kollektiven Erinnerung, die sie erhöht, aufgetan hat. Auch wenn die Vernichtung der europäischen Juden nicht in Wannsee beginnt, hat sie dennoch dort eine radikale Wende erfahren und wurde tatsächlich „endgültig“, das heißt, dass sie keine Gruppe mehr verschonte.

 

Wannsee - 1982. Quelle: MINDEF/SGA/DMPA

Anmerkungen
(1) In Le Procès de Jérusalem, Jugements-documents, Paris, Calmann-Lévy, 1963, S. 340-345
(2) In Hans Mommsen, Le national-socialisme et la société allemande. Dix essais d'histoire sociale et politique, Editions de la Maison des Sciences de l'Homme, Paris, 1997, S. 178-223
(3) Christian Gerlach, Sur la conférence de Wannsee, Liana Levi, 1999
(4) Philippe Burin, Hitler et les Juifs. Genèse d'un génocide, Paris, Seuil, Point-Histoire, 1995, S. 129-130
(5) Paul Hilberg, La destruction des Juifs d'Europe, Paris, Fayard, 1988, S. 360-361
(6) Philippe Burin, op. cit., S.129
(7) Peer Reichel, L'Allemagne et sa mémoire, Paris, Odile Jacob, 1998, S.177