Die Zukunft der Gedenkfeiern
Frankreich ist zwar „das Land, dass dem Gedenken am meisten huldigt“, jedoch nehmen immer weniger Menschen an den Gedenkfeiern teil. Von diesem Thema sind zunächst die Gedächtnisstätten betroffen, deren Aufgabe es ist, das historische Erbe aufzuwerten und dem Publikum gewisse Kenntnisse zu vermitteln sowie eine Anzahl an Gedenkfeiern zu veranstalten. Sie stehen derzeit im Zentrum von Überlegungen über die Zukunft der Gedenkfeiern.
Das 2016 geschaffene, aus 13 Institutionen bestehende Netzwerk Gedenkstätten an die Shoah in Frankreich erstellte eine Querschnittsanalyse, um die Herausforderungen und Grenzen der Arten des Gedenkens zu verstehen und ihre Zukunft ins Auge zu fassen.
Mit diesem Ziel wurde eine Arbeitsgruppe mit der Befragung von zwanzig Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen - Geschichtswissenschaftler, Regisseure, Vertreter öffentlicher Institutionen und Vertreter der Religionen und Vereinigungen - betraut. Die Leidenschaftlichkeit, mit der die Befragten antworteten, zeigt, wie aktuell, sensibel und auf gewisse Art dringend das Thema der Gedenkfeiern ist. Die beiden Vorsitzenden dieser Arbeitsgruppe Hélène Mouchard-Zay und Frédérique Neau-Dufour, unterstützt von Olivier Lalieu, legten ihren Bericht am 13. Dezember 2017 vor. Nachstehend die wichtigsten Tendenzen...
Zeremonie des 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz, 27. Januar 2020. © Dimitri Papamitsos
Das Prinzip der Gedenkfeiern
Die Rolle von Gedenkfeiern war sehr lange Zeit klar definiert: sie waren für die Überlebenden der Konflikte und ihre Nachkommen bestimmt, denen sie innerhalb einer Gemeinschaft anderer Betroffener einen Raum der Tröstung und der Andacht boten. Diese Gemeinschaft hatte nach den beiden großen Weltkriegen eine nationale Dimension.
Die Jahrzehnte verstrichen und die letzten Überlebenden des Ersten Weltkriegs verstarben. Es gibt immer weniger Überlebende des Kriegs von 1939-45. Die Gedenkfeiern werden jedoch weitergeführt wie gehabt. Sie sind sogar mehr geworden: derzeit werden „14 gesetzlich festgeschriebene oder per Präsidenten-Dekret eingeführte“ Gedenktage gefeiert... erinnert Serge Barcellini. „Von diesen 14 Gedenktage wurden 8 nach 1993 eingeführt“. Ist dieser Anstieg das Zeichen für ein steigendes Interesse an den Gedenkfeiern? Geht mit ihnen ein unvermeidlicher Verlust ihres Sinns einher?
Manche der befragten Persönlichkeiten wie André Kaspi glauben eher an erstere Option: das Gedenken bietet „einen Weg, sich mit der Geschichte vertraut zu machen“, die die Aufmerksamkeit der jungen Generationen auf die Ereignisse der Vergangenheit lenkt. Sieht man sich die Realität genauer an, scheint jedoch eher die zweite Hypothese zuzutreffen. Die Gedenkfeiern betreffen sehr oft nur einen beschränkten Teilnehmerkreis; die Menschen nehmen aus Verpflichtung an ihnen teil oder weil sie vom Gegenstand der Gedenkfeier direkt betroffen sind. Die Entfremdung des breiten Publikum ist offensichtlich und sie ist das Symptom eines tiefer liegenden Problems, da bei der Problematik des Gedenkens ein gewisser Blick auf die Gegenwart und unsere gemeinsamen Werte ins Spiel kommt. „Das Gedenken hat etwas mit nationalem Zusammenhalt und Identität zu tun“ meint Raphaël Esrail. Wenn man sich nicht mehr gemeinsam erinnern kann, ist das das Eingeständnis eines Misserfolgs. Das Eingeständnis, dass sich die Gesellschaft in sich selbst zurückzieht und sich nicht mehr als universell begreift, dass sie zerfällt und die Welt nur noch durch das Prisma individueller Interessen betrachtet. Philippe Allouche bedauert, dass viel Menschen die Shoah als eine ausschließlich den Juden vorbehaltene Angelegenheit betrachten, obwohl sie eine universelle Dimension besitzt. Der französische Großrabbiner betont, dass „die Geschichte des jüdischen Volkes es den Leiden der Menschheit gegenüber besonders sensibel macht, ohne dabei in einen Wettbewerb zu treten“.
Dieses Unvermögen zu einer kollektiven Betrachtung der Vergangenheit hat Folgen auf die Gegenwart. In einem besonderen Umfeld und ungeachtet der Gedenkfeiern und der mit ihnen einhergehenden pädagogischen Arbeit macht sich ein Zunehmen von Antisemitismus und Negationismus bemerkbar, meinen Annette Wieviorka und Claude Bochurberg. Dieser Umstand mache die Weiterführung der Überlegungen über unsere Art, uns zu erinnern, erforderlicher als je.
Welche Gedenkfeiern gilt es in der Zukunft zu privilegieren?
Der hohen Anzahl von Gedenkfeiern in Frankreich steht ein Mangel an Begeisterung, an ihnen teilzunehmen, gegenüber. Sollten in Zukunft einige von ihnen abgeschafft werden? Mehrere der Befragten beantworten diese heikle Frage ganz unumwunden wie zum Beispiel Ariane Mnouchkine: „Die erste Frage, die als Sakrileg betrachtet wird, ist die Frage, wie lange das Gedenken an die Shoah weitergeführt werden soll? Was wird aus dieser Erinnerung, wenn es keine Überlebenden mehr gibt, die eine direkte Verbindung zu dieser Geschichte haben? Zu welchem Zeitpunkt wird sie wohl genauso abstrakt wie die der Schlacht bei Valmy?“. Genau darum geht es: um den Sinn, den wir dem Gedenken geben und das, wodurch es gerechtfertigt ist. Wenn eine Zeremonie einfach keinen Anknüpfungspunkt mehr hat, dann „glaube ich, muss man sich damit abfinden, sie abzuschaffen“ meint Annette Wieviorka. „Wenn etwas nicht mehr lebendig ist, muss man es gehen lassen“. Serge Klarsfeld teilt eine ähnliche Meinung, macht jedoch einen Unterschied zwischen dem Gedenken, das andauern muss, und den Gedenkfeiern, die ein punktueller Ausdruck desselben ist. Er ist deshalb der Meinung, dass man Gedenkfeiern abschaffen kann, ohne dem Gedenken zu entsagen: „Ich kann mir vorstellen, dass unsere Gedenkfeier an den 16. Juli im Vel d’Hiv auch abgeschafft wird. Oder in einer anderen Form fortgeführt wird, die Menschen gedenken dem Ereignis, wenn sie an dem Garten und der Statue vorbeigehen, eine Art Gedenken im Alltag“.
Anders als der französische Großrabbiner, der alle nationalen Gedenktage für richtig und nötig betrachtet, stimmen die befragten Personen dem Generalinspektor Tristan Lecoqcordent zu, der meint, dass „zu viele Gedenkfeiern das Gedenken töten“. Eine Überarbeitung des Kalenders der Gedenkfeiern scheint sich als erforderlich zu erweisen, die mit einer drastischen Reduzierung der offiziellen Gedenktage einhergehen muss. Diese Perspektive bringt natürlich eine grenzenlose Anzahl von Problemen hervor, für die jeder seine eigene Lösung findet. Welche Zeremonien müssen beibehalten werden? Welche abgeschafft? Seit dem Kaspi-Bericht im Jahr 2008 löste dieses groß angelegte Unterfangen bei den politischen Entscheidungsträgern bislang noch wenig Begeisterung aus.
Im gegenwärtigen Stadium des Austauschs wird in dem Bericht vorgeschlagen, auf internationaler und nationaler Ebene den 27. Januar als Hauptachse der Gedenkfeiern an die Shoah beizubehalten und auszubauen.
Zeremonie am 11. November 2009, Gedenkfeier an den Waffenstillstand unter dem Zeichen der deutsch-französischen Aussöhnung. © Cch FIARD Christophe / DICoD
Dem Gedenken wieder Sinn verleihen
Und neben ihrer Zahl, welche Inhalte sollen diese Gedenkfeiern in sich tragen? Ihre pädagogische Aufgabe ist alles Andere als eine Selbstverständlichkeit. Die Zeremonien sind ein Augenblick der Andacht und der Emotion und unterscheiden sich deshalb von der Lehre der Geschichte. Der Geschichtsunterricht findet in der Schule oder bei der Besichtigung von Gedenkstätten statt, hat sichere Quellen und einen wissenschaftlichen Ansatz zur Grundlage und wird von einer Lehrkraft oder einem Pädagogen vermittelt. Die Aufgabe von Gedenkfeiern ist es nicht, Geschichtsunterricht zu erteilen, sie müssen vielmehr „stark in den Lehrplan der Schulen eingebunden werden“, erläutert Tristan Lecoq, da zwischen den beiden Ansätzen eine fruchtbare Verbindung besteht: die Gedenkfeier wird zu „einer Möglichkeit, etwas zu tun“, meint Annette Wieviorka.
Gedenkfeiern bringen den Schülern etwas sehr Wichtiges bei, kein Schulwissen, sondern Bürgererziehung: die Erziehung zum republikanischen Prinzip. Die jungen Generationen nehmen in Anwesenheit von Vertretern der offiziellen Stellen, des Militärs und Kriegsveteranen am gemeinsamen Leben teil und erfahren konkret, dass „Gedenken heißt, für die Republik zu kämpfen“ (Haïm Korsia). Der Respekt vor den Traditionen darf jedoch ihre inhärenten Fehler nicht in Vergessenheit geraten lassen, im Besonderen den Umstand, dass die Zuschauer meist eine passive Rolle spielen und sie aus einer Abfolge von Reden mit bisweilen begrenzter Tragweite bestehen. Für Außenstehende ist es nicht einfach, sich als Teil unserer ausgesprochen kodifizierten und strengen Zeremonien zu fühlen. Der deutsche Geschichtswissenschaftler Arndt Weinrich beobachtet, dass „die Gedenkfeiern in Frankreich einen sehr militärischen Charakter haben. […] Mich würde es schockieren, Militärs bei einer Gedenkfeier an die Shoah um mich herum zu haben“.
Der Bericht schlägt deshalb vor, das republikanische Zeremoniell beizubehalten, jedoch grundsätzlich stets seinen Sinn stets zu erklären und seinen strengen, sein 1919 unveränderten Formalismus nach und nach zu lockern. Die beherrscht Öffnung hin zu den Herausforderungen der Neuzeit darf nicht vernachlässigt werden, da sie es ist, die dem Gedenken seinen Sinn verleiht.
Die Akteure der Zeremonien dazu ermutigen, sie selbst in die Hand zu nehmen
Wie kann es gelingen, eine jahrhundertealte Tradition des Gedenkens zu bewahren und sie in eine Gesellschaft einzubinden, die sich stark verändert hat, die partizipativ ist, in einer Welt des grenzenlosen Multimedia-Angebots lebt und in der Langeweile und Vorlesungen ohne Teilnahmemöglichkeit überhaupt nicht mehr gut ankommen? Wie kann es gelingen, Interesse bei einer Jugend zu wecken, die sich nicht mehr mit der Rolle des Bürgen begnügen will, die man ihr bei den Feiern oft spielen lässt? Wie kann es gelingen, die Moralkeule des „das nie wieder“ und der „Pflicht zur Erinnerung“ hinter sich zu lassen? Und wie kann es gelingen, „Lust zur Teilnahme an einer Gedenkfeier“, wie Laurent Bellini es nennt, zu machen? Das ist eine große Herausforderung. „Angesichts eines Verbrechens vom Ausmaß der Shoah stellt sich die Frage, wie sich ihre absolute Einzigartigkeit bewahren lässt, wie vermieden werden kann, dass mit der Zeit eine Logik (…) der Banalisierung, der Relativisierung zum Greifen kommt...“ insistiert Philippe Bélaval.
Der hundertste Jahrestag des Ersten Weltkriegs war eine Gelegenheit, vielversprechende Pisten auszuloten, im Besonderen den Umstand, dass Gedenkfeiern ohne Zeugen durchaus denkbar sind. Die Bevölkerung legte große Begeisterung an den Tag und fühlte sich betroffen und gefordert: „Die Dynamik kam aus der Umgebung, den Schulen, den Orten, Ahnenforschung war wichtig. Die Aktionsachsen der Gedenkfeiern sind die Orte, die Interessengebiete, die Schule. Die kulturelle Erinnerung tritt nach und nach an die Stelle der Erinnerungen der Soldaten“ fasst Joseph Zimet zusammen. Damit das alles so richtig rundläuft, muss man wissen, wie man sein Produkt „verkauft“. Da der jährliche Rhythmus der Gedenkfeiern etwas Steriles hat, muss in enger Zusammenarbeit mit den Geschichtswissenschaftlern jedes Jahr etwas Neues angeboten werden. „Das Feuer der Forschung muss den Medien, die oft kein Interesse mehr zeigen, etwas Neues bieten. Man muss ihnen Veränderungen anzeigen. Medien mögen es, wenn sie die Dinge schon im Vorfeld erfahren und man ihnen die Prozesse und damit die Geschichte erläutert“.
Die Gedenkstätten spielen bei diesem Neuanfang eine Rolle, da sie „es ermöglichen, die Gedenkfeiern zu erneuern, auszuweiten und zu ergänzen. Sie dauern über die Gedenkfeier hinaus an, schaffen eine dichte Atmosphäre um den D-Day herum, die das Erleben der Geschichte über einen langen Zeitraum ermöglicht“ sagt Joseph Zimet. In den meisten Gedenkstätten wurden bereits neue Arten von Gedenkfeiern erprobt. Diese erfordern große Mittel in Bezug auf Finanzierung und Mitarbeiter, die nicht zu allen Gelegenheiten zur Verfügung stehen. Allen gemeinsam ist, dass sie versuchen, die Teilnehmer an den Zeremonien besser in diese einzubinden, zum Beispiel über das Vorlesen von Zeugenberichten durch die Schüler, in Szene gesetzte Präsentationen, Lieder, Fotos und die Organisation von Konferenzen.
Ein vernünftiger Einsatz von neuen technologischen und digitalen Verfahren macht bestimmte Innovationen möglich. Diese können die Bedürfnisse der Besucher erfüllen, die Anschauen, Anfassen wollen: „Lassen Sie uns in der von Lügen, von Vulgarität geprägten Welt der sozialen Medien das Schöne, das Wahre wiederauferstehen“ meint Philippe Bélaval. In Frankreich und im Ausland werden mehr und mehr Versuche in diesem Bereich durchgeführt. Der Vorteil von europaweiten Gedenkfeiern wie der 27. Januar liegt vor allem darin, dass sie das Übertreten der Grenzen vereinfachen. Sie unterliegen weniger stark den nationalen Traditionen und sind von Natur aus dem Anderen gegenüber offen; daher können sie als eine Art Labor zur Erneuerung der Gedenkfeiern dienen.
Zeremonie zum 23. Juni 2019 im ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. © CERD-Struthof
Um noch ein wenig weiter zu gehen, wäre es vielleicht von Vorteil, unsere Gewohnheiten hinter uns zu lassen und uns dem von Ariane Mnouchkine vorgeschlagenen Weg zu öffnen, dem Weg eines befreienden Vorgehens ohne Zerknirschung, Zögern und Zensur. Was die Dramaturgie betrifft, so darf die Trauer nicht das einzige Gefühl sein, das beim Sprechen über die Toten erlaubt sein darf. „Ich habe den Eindruck, dass es eine gute Sache wäre, diesen Moment der Ernsthaftigkeit, der Verbeugung vor dem Leiden, mit einem Moment der Freude zu verbinden (…). Es gilt, Lebensbejahung an den Tag zu legen. Man sollte sich die Leichtigkeit des Seins gönnen, über die Grenzen der Hölle hinwegzuspringen und zu den alten, von Freude erfüllten Zeiten zurückzukehren. Beides ist gleichermaßen erforderlich: das unvermeidliche Gewicht der kalten Grabsteine ebenso wie die Leichtigkeit. Wir müssen zeigen, dass wir überlebt haben, mit den Sinnen, mit Musik, mit Düften, mit einer freudigen Einstellung, über die Küche... und mit allem, was von den Nazis sonst noch ins Visier genommen wurde: die Philosophie, die Geschichte, die Tänze. Ihre Körper wurden gequält, aber ihre Welt ist immer noch am Leben. So schlagen wir ihnen ein Schnippchen, mit dem Triumpf des Lebens.“
Dieses Fazit des Berichts ermutigt also eine verstärkte Einbindung der Bürger in die Zeremonien. Der unverhältnismäßig hohe Anteil an offiziellen Reden muss nach und nach durch die Teilnahme der jungen Generation ersetzt werden. Und auch die Sprache muss weiterentwickelt werden: künstlerische Beiträge, die bereits einen festen Platz haben, sind eine geschickte Weise, Botschaften zu übermitteln, ohne einem strengen Formalismus zu huldigen.
Gedenkfeiern ohne langfristige pädagogische Arbeit haben wenig Sinn. Sie müssen von Schülern besucht werden, die sich schon im Vorfeld investiert haben und nicht „gezwungen“ werden, eine Stunde lang wie Statisten herumzustehen. Sie könnte auch zum Gegenstand späterer Überlegungen werden.
Ein guter Weg wäre wohl, einen aus Vertretern der Gedenkstätte, der öffentlichen Schulen, der Vereinigungen, offiziellen Entscheidungsträgern und jungen Leuten zusammengesetzten Lenkungsausschuss mit der Vorbereitung der verschiedenen Gedenkfeiern zu beauftragen.
Diese Änderung, die bereits von manchen Mitgliedern des Netzwerks praktiziert wurde, erfordert große menschliche Anstrengungen. Es ist besser, weniger Schüler wirklich gut zu erreichen als einer Vielzahl von ihnen eine Zeremonie aufzuzwingen, was sich als kontraproduktiv herausstellen könnte.
Was sind die mittelfristigen Perspektiven?
Die wirtschaftlichen, sozialen und klimatischen Notfallsituationen, denen der Staat in den kommenden Jahrzehnten gegenübersteht sowie die Verringerung seiner finanziellen Mittel lässt fürchten, dass er sich nach und nach aus dem Bereich der Gedenkfeiern zurückziehen wird. Dieser Trend wird wohl durch das Verschwinden der letzten Überlebenden der modernen Kriege und die Schwächung der großen Vereinigungen zum Gedenken weiter verstärkt werden. Diesen bereits angelaufenen Entwicklungen muss unbedingt vorgegriffen werden. In dieser Perspektive ermutigt Serge Barcellini „die Zivilgesellschaft, sich dieses Themas anzunehmen. Der Staat als Stratege könnte Gedenkfeiern anregen, unsere Politik in Bezug auf das Gedenken jedoch darf nicht nur ein nationales Thema bleiben“ Sie muss ihre Vitalität auf der Ebene der Gebietskörperschaften finden und sich auch auf europäischer Ebene entfalten, da das Gedenken an die Shoah und die Weltkriege über unsere nationalen Grenzen hinausgeht.
Der Zweite Weltkrieg ist bald hundert Jahre her (2040-2045); dies macht es erforderlich, jetzt gemeinsam über diese Entwicklungen nachzudenken. Im Jahr 2033 wird es hundert Jahre her sein, dass Hitler an die Macht kam und in diesem Jahr läuft ein neuer Zyklus des Gedenkens an. Um sich darauf vorzubereiten, schlägt Joseph Zimet dem Netzwerk vor, das Thema aufzugreifen, da sich auf nationaler Ebene keine andere Arbeitsgruppe mit ihm beschäftigt, und diese zukunftsorientierte Arbeit in Angriff zu nehmen. Es könnte ein Weißbuch zum Hundertsten Jahrestag der Deportation und der Shoah erstellt werden, das einen Kalender der wichtigen Daten, aktuelle Themen mit einem Bezug zu dem Anlass, zu entwickelnde Infrastrukturen, zu knüpfende internationale Beziehungen, wichtige Orte und zu planende Zeitschriften, Kunstwerke und architektonische Kreationen präsentiert.
Das Gedenken ist etwas Lebendiges, das Fragen aufwirft und Debatten über ihre Interpretation, die republikanischen Werte und die pädagogischen Ambitionen lostritt. Sie kann, vorausgesetzt, wie wird am Leben gehalten und von einer gemeinsamen Ambition getragen, zu einem Instrument werden, das die Menschen zusammenführt und ihnen hilft, sich ihre gemeinsame Vergangenheit zu eigen zu machen. Das Netzwerk zum Gedenken an die Shoah in Frankreich möchte dazu beitragen, dass sie sich weiterentwickelt, mit Anspruch, aber ohne sie zu verfälschen. Die in diesem Bericht zusammengetragenen Beiträge sind ein erster Schritt in diese Richtung.