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Eine kanadische Stiftung für das Gedenken

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© Fondation Vimy
© Fondation Vimy

Cassandre ONTENIENTE, Schülerin der letzten Klasse des Gymnasiums Pierre Bourdieu im Département Haute-Garonne, berichtet über ihre Teilnahme am Beaverbrook-Programm der Fondation Vimy sowie über ihre Beziehung zur Gedenkarbeit. 

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Könnten Sie mir den Beaverbrook-Preis sowie die Fondation Vimy näher vorstellen?

 

Cassandre Onteniente: Die Fondation Vimy ist eine kanadische Stiftung, die sich mit der Pflicht der Jugend für das Gedenken an den Ersten und Zweiten Weltkrieg befasst. Sie hat vor allem ein Pilgerprogramm eingerichtet, mit dem die Kanadier die Erinnerungskultur in Europa kennenlernen können. Sie hat außerdem das Beaverbrook-Programm entworfen, an dem ich zusammen mit 14 kanadischen und einem britischen Jugendlichen teilgenommen habe. Wir wurden auf Grundlage eines geschichtlichen Aufsatzes, eines Essays über ein Kunstwerk, eines Motivationsschreibens, eines Lebenslaufs und eines Empfehlungsschreibens ausgewählt. Die 16 Jugendlichen, die am Programm teilnehmen, unternehmen gemeinsam mit der Stiftung und Begleitpersonen eine zweiwöchige Reise nach England, Belgien und Frankreich. Auf dem Programm stehen Museen und Friedhöfe sowie verschiedene Berichte und Beiträge von Geschichtestudenten aus Oxford und Paris-Nanterre.

 

 

Wie sind Sie auf diese Stiftung und ihre Tätigkeit aufmerksam geworden?

 

Cassandre Onteniente: Ganz einfach auf Instagram, zufällig, durch eine Werbung. In meiner Umgebung kannte niemand die Fondation Vimy, nicht einmal in meinem Gymnasium.

 

 

Warum haben Sie sich beworben?

 

Cassandre Onteniente: Ich habe Geschichte von klein auf gemocht. Mein Geschichtsprofessor aus der 3. Klasse, Fabrice Pappola, Beauftragter des Direktors der akademischen Einrichtungen im Département Haute-Garonne für die Hundertjahrfeier des Ersten Weltkriegs, hat mich wirklich für die Geschichte des Ersten und des Zweiten Weltkriegs begeistert. Ich fragte ihn, ob er glaube, dass das etwas für mich wäre. Er glaubte schon und hat mich ermutigt. Also habe ich es probiert: Ich sprach dann mit meinem Geschichtsprofessor am Gymnasium, Benjamin Besnard, darüber, der mich ebenfalls ermutigte, an diesem Wettbewerb teilzunehmen.

 

 

Können Sie mir von den Themen erzählen, die Sie für Ihre Bewerbung gewählt haben, und von den verschiedenen aufgewendeten Mitteln?

 

Cassandre Onteniente: Das Thema für den Aufsatz kann man sich nicht aussuchen. Im Jahr, in dem ich am Programm teilgenommen habe, war das vorgegebene Thema der posttraumatische Stress von Soldaten vom 1. Weltkrieg bis heute. Die Aufsätze haben nicht wie in Frankreich einen mehrteiligen Plan. Die in der Aufgabe hervorzuhebenden Ideen werden den Kandidaten vorgegeben. Ich war bezüglich des methodischen Vorgehens etwas ratlos und bat meine Professoren vom Collège und vom Gymnasium um Hilfe. Ich griff auf Websites wie jene des Verteidigungsministeriums zurück, oder auch auf die Seite der Hundertjahrfeier mit einem Artikel des Reporters Jean-Paul Mari im Besonderen sowie auf Werke, die mir meine Professoren empfohlen hatten. Der posttraumatische Stress ist per se kein Thema im Geschichtsunterricht des Gymnasiums, jedoch hat man davon gehört und das schlägt sich in verschiedenen Teilen des Programms nieder. Beim Kunstaufsatz musste man eines von vielen vorgeschlagenen Werken zum Thema Krieg auswählen, analysieren, sagen, was man fühlt und was es darstellen könnte. Beim Motivationsschreiben und Lebenslauf kam ich einigermaßen zurecht und hatte das Glück, von meiner Mutter Unterstützung zu bekommen. Das Empfehlungsschreiben schließlich haben meine Geschichtsprofessoren verfasst. Nach der Auswahl mussten wir wahlweise eine Rede oder ein Lied schreiben, um einen Soldaten zu würdigen. Ich verwendete die Bestände des Staatsarchivs, um per Zufall einen Soldaten auszuwählen. Meine Wahl fiel auf Emile Sautour. Anschließend begab sich jeder Preisträger zu dem Friedhof, auf dem der Soldat beigesetzt ist, um ihm die Ehre zu erweisen. 

 

 

Wie lief die Reise zu den Gedenkstätten ab?

 

Cassandre Onteniente: Wir verbrachten vier Tage in England. Wir fuhren zur Harrow School, wo wir wohnten. Wir besuchten vor allem Museen und das Cabinet von Winston Churchill im Imperial War Museum. Wir mussten auch Vorträge über ein vorgegebenes Thema halten. Mit meiner Gruppe arbeiteten wir am Thema Radio. Dann fuhren wir nach Oxford, wo wir an Vorträgen teilnahmen, einem über die Propaganda und einem anderen über Gedenkstätten. Anschließend fuhren wir nach Belgien und Frankreich. Wir begaben uns nach Ypres, um die Friedhöfe und Gedenkstätten kennenzulernen. Wir gingen zur Menenpoort (Menin Gate), wo wir an einer offiziellen Feier im Flandern Fields Museum teilnahmen. Wir fuhren nach Saint Julien zum kanadischen Friedhof und nach Tyne Cot zum britischen Friedhof. Wir fuhren in das Département Somme nach Beaumont-Hamel und nach Thiepval zum Museum der Geschichte des Ersten Weltkriegs. Wir fuhren auch nach Crête-de-Vimy, um das Denkmal zu besichtigen und das unterirdische Maison-Blanche. Dank der Fondation Vimy hatten wir Zugang zu diesen Tunneln, die für die Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich sind und wo die Soldaten vor 100 Jahren Zuflucht suchten. Wir begaben uns auch nach Dieppe, wo die Kanadier 1942 landeten. Dort hatten wir die Ehre, uns mit dem französischen Widerstandskämpfer Jean Caillet auszutauschen. Das muss umso mehr hervorgehoben werden, da wir die letzte Generation sind, die mit diesen Kriegshelden sprechen kann. Wir fuhren nach Juno Beach, wo die kanadischen Soldaten am 6. Juni 1944 landeten. Diese Gedenkreise endete mit zwei Vorträgen an der Universität Paris-Nanterre: einem über die Schlachten von Verdun und an der Somme, dem anderen über die vielen Facetten des Ostkrieges.

 

 

Was haben Sie aus dieser Reise gelernt?

 

Cassandre Onteniente: Es war vor allem ein menschliches und interkulturelles Erlebnis. Wir sprachen Englisch, wobei festzuhalten ist, dass man nicht zweisprachig sein muss, um am Wettbewerb teilzunehmen. Wir konnten unsere Standpunkte austauschen, vor allem, dass wir uns nicht auf dieselbe Art mit den beiden Kriegen befasst haben. Da ich in Toulouse wohne, einem Gebiet im Hinterland, war es für mich sehr interessant nach Nordfrankreich in diese Frontgebiete zu kommen und mir des Ausmaßes dieser beiden Kriege bewusst zu werden. Es war wirklich beeindruckend, diese Schlachtfelder und Friedhöfe mit den Kommentaren unserer Begleiter zu sehen. Ich lernte enorm viel und versuchte, dies an meinem Gymnasium und meinem ehemaligen Collège weiterzugeben, um meine Erfahrungen mit meinen Kameraden zu teilen, die Jüngeren zu sensibilisieren und die Gymnasiasten zur Teilnahme am Wettbewerb anzuregen. Als Preisträger dieses Wettbewerbs wird man zum Botschafter der Stiftung und ist verpflichtet, die Pflicht des Gedenkens fortzusetzen und dieses Programm bekannt zu machen. Daher habe ich Ihnen eine E-Mail geschickt. Wenn andere Jugendliche dazu Zugang bekommen, ist das interessant. Es ist ein unvergessliches Erlebnis. Man bleibt in Verbindung und die Kanadier sind wirklich sehr sympathisch. Ich hoffe außerdem, sie alle eines Tages in Kanada wiedersehen zu können.

 

 

Sie haben auch an den Feierlichkeiten zum 11. November in Ihrem Ort teilgenommen, einem der 11 Tage, die vom Verteidigungsministerium organisiert werden. Was bedeutet das für Sie?

 

Cassandre Onteniente: Am Tag der Feier hielt ich eine Rede über das Thema meiner Teilnahme am Programm der Stiftung, aber auch über die Pflicht des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg. Ich fand das interessant, denn gerade durch die Geschichte gibt es Augenblicke, in denen man sich erheben und gemeinsam wieder an alle diese Konflikte erinnern muss. Es war eine denkwürdige Feier voller Emotionen. Ich würde in Zukunft gerne an weiteren offiziellen Feiern teilnehmen. Ich habe mich in diesem Sinne an einen Vertreter des Präfekten von Toulouse gewandt.

 

 

War Ihre Teilnahme am Programm der Stiftung Ihr erstes Engagement zugunsten der Gedenkarbeit?  

 

Cassandre Onteniente: Ich hatte vorher nicht die Gelegenheit, das zu tun, aber wenn ich sie gehabt hätte, glaube ich, dass ich es gemacht hätte. Eigentlich habe ich nicht wirklich daran gedacht, es ist einfach passiert. Es stimmt, ich mochte Geschichte gern, aber meine Eltern sind Wissenschaftler, daher ist dieses Verlangen nach Erinnerung nicht in der Familie verankert. Es ist sehr bereichernd, etwas selbst zu tun und persönliche Erfahrungen hinsichtlich der Pflicht des Gedenkens zu sammeln.

 

 

Wie haben Sie die Zeitschrift Les Chemins de la mémoire kennengelernt, die Sie kontaktiert haben, um über Ihre Erfahrungen zu sprechen?


 

Cassandre Onteniente: Im Gymnasium liegen viele Zeitschriften auf, darunter befand sich auch Ihre. Ich sagte mir, es wäre eine gute Idee, die Tätigkeiten der Stiftung zu verbreiten. Natürlich wird die Zeitschrift auch vom Gymnasium propagiert, denn sonst hätte ich sie gar nicht kennengelernt.

 

Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

 

Cassandre Onteniente: Ich möchte der Stiftung danken, insbesondere den Begleitern, sowie Ihrer Redaktion, dass sie mir die Möglichkeit gab, meine Erfahrungen weiterzugeben.  

 

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MINARM / DPMA / SDMAE / BAPI - Geschäftsstelle für Pädagogik und Information - Redaktion: Enola Dallot