Raymond Poincaré
Poincaré wird am 20. August 1860 in Bar-le-Duc in einer bürgerlichen Familie geboren.Sein Vater, ein Brücken- und Straßenbauingenieur, hätte sich vielleicht eher eine wissenschaftliche Laufbahn für seinen Sohn gewünscht, doch dieser bevorzugt Literaturwissenschaften und Recht. Nach einem gründlichen Studium in Bar-le-Duc und Paris wird er im Jahr 1880 Anwalt. Im Alter von 26 Jahren macht er seine ersten Schritte in der Welt der Polititk als Kabinettsleiter des Landwirtschaftsministers. In den Jahren 1887 bis 1903 ist er Abgeordneter des Wahlkreises Commercy und wird in dieser Zeit Senator des Departements Meuse. 1893 wird er erstmals Minister - für das öffentliche Schulwesen - (dieses Amt wird er fünf Mal bekleiden), 1912 nach der Affäre Agadir Ratspräsident (diesen Posten wird er vier Mal innehaben); er ist ein Verfechter der Wiederherstellung der Exekutivmacht gegenüber der Nationalversammlung, eines liberalen, aber starken Staaates. Der "weltliche Republikaner", ein Mann der Ordnung, wird im Jahr 1913 zum Staatspräsidenten gewählt. Vor dem außenpolitischen Hintergrund eines sich abzeichnenden Krieg verstärkt er seine Allianzen...
Als Senator des Departements Meuse von 1903 bis 1913 übernimmt er 1906 das Ressort der Finanzen im Kabinett Sarrien. 1909 wird er in die Académie française aufgenommen. Im Januar 1912, nach der Agadir - Affäre, in der sich Deutschland und Frankreich in Marokko gegenüber stehen, wird er Präsident des Rates und Außenminister. Er setzt sich für die erneute Stärkung der Exekutive gegenüber der Nationalversammlung ein, für einen liberalen aber starken Staat und stellt sich die Aufgabe, die Probleme der Außenpolitik zu lösen. Am 30. März unterzeichnet er mit dem Sultan von Marokko den Vertrag für das Protektorat. Im Übrigen setzt er sich für engere Beziehungen Frankreichs mit Großbritannien und Russland ein. Zu diesem Zweck wird mit Großbritannien über ein Abkommen zur Hilfe auf See verhandelt, und im August begibt er sich nach Russland, um das Bündnis neu zu beleben. Der "Laienrepublikaner" und Mann der Ordnung wird am 17. Januar 1913 zum Präsidenten der Republik gewählt. Während sich der Krieg abzuzeichnen beginnt, lässt er im August über das Gesetz für den dreijährigen Wehrdienst abstimmen und festigt außenpolitisch die Bündnisse, wozu er im Juli 1914 eine weitere Reise nach Russland unternimmt. Als der Krieg erklärt ist, sieht er es als seine wesentliche Aufgabe an, den Krieg zu gewinnen. Zu diesem Zweck müssen alle Energien aufgebracht, aller gute Wille mobilisiert werden, ob von links oder rechts, d.h. es muss die "Union sacrée", die heilige Einheit geschaffen werden. Die Regierung wird nacheinander von Viviani, Briand, Ribot und Painlevé geführt, ohne dass sich ein endgültiger Erfolg in den Kriegshandlungen einstellt. Es gibt immer mehr militärische und politische Schwierigkeiten: die französische Niederlage am Chemin des Dames, Meutereien an der Front, Aufkommen sozialer Spannungen und das Ende der Union sacrée. Poincaré unterdrückt seine persönlichen Gefühle und ruft seinen politischen Gegner, Clemenceau, zu Hilfe, der am 16. November 1917 Ratspräsident wird. 1918 kommt der Sieg und die Rückkehr von Elsass - Lothringen zu Frankreich.
Nach Ablauf seiner siebenjährigen Amtszeit als Präsident wird Poincaré wieder Senator im Departement Meuse. Von Februar bis Mai 1920 ist er Präsident der für die Reparationen zuständigen Kommission und wird 1922 wieder zum Ratspräsidenten und Außenminister ernannt. Als Verfechter der vollständigen Durchsetzung des Versailler Vertrages lässt er am 11. Januar 1923 trotz des Zögerns der Alliierten das Ruhrgebiet durch die Truppen von General Degoutte besetzen, da Deutschland die Reparationsleistungen nicht pünktlich zahlt. Das Ergebnis der Parlamentswahlen, in denen das "Linkskartell" die Mehrheit erhält, zwingt ihn im Juni 1924 zurück zu treten. Als er am 23. Juli 1926 wieder in das Amt berufen wird, um zu versuchen, die katastrophale finanzielle Situation in Ordnung zu bringen, stellt er sofort das Vertrauen wieder her, und es gelingt im, den Franc zu stabilisieren. Da ihn die Geldprobleme vollkommen in Anspruch nehmen, überlässt er die Außenpolitik Briand, der sich für eine Politik des Ausgleichs mit Deutschland entscheidet. Wegen einer Krankheit tritt Poincaré im Juli 1929 zurück und widmet sich seinen Memoiren "Au service de la France" (Im Dienst Frankreichs) (1926-1933). Er stirbt am 15. Oktober 1934. Nach dem Staatsbegräbnis in Paris wird er in Nubécourt beigesetzt.