Simone Veil
Die Shoah-Überlebende, Namensgeberin des Gesetzes über den freiwilligen Schwangerschaftsabbruch und überzeugte Europäerin Simone Veil starb am 30. Juni 2017 im Alter von 89 Jahren. Das politische Leben Frankreichs verlor damit eine seiner größten und bekanntesten Figuren. Am 1. Juli 2018 war Simone Veil die fünfte Frau, die im Pantheon bestattet wurde... >> Der gesamte Artikel befindet sich auf www.gouvernement.fr
« Notre héritage est là, entre vos mains, dans votre réflexion
et dans votre cœur, dans votre intelligence et votre sensibilité. » *
* Auszug aus einer Rede von Simone Veil im Jahr 2010 >> Ressource auf www.ambassadeurs-memoire-shoah.org
„Die Überlebenden von Auschwitz sind nur eine Handvoll. Bald wird unsere Erinnerung nur noch auf unseren Familien, dem Staat aber auch den Institutionen beruhen, die sich diese zu ihrer Aufgabe gemacht haben, vor allem jene, die sich um die Orte kümmern, an denen Sie sich heute befinden. Sie wird auch Inspirationsquelle für Künstler und Autoren sein, als ein Gegenstand, der uns auf Gedeih und Verderb entgleitet. Unsere Erinnerung muss vor allem in den Geschichtsunterricht der Schule integriert und mit diesem in Einklang gebracht werden, damit Schüler wie Professoren zu wichtigen Bindegliedern dieser notwendigen Vermittlung gemacht werden.
Es obliegt Ihnen, unsere Erinnerung zum Leben zu erwecken oder nicht, unsere Worte wiederzugeben, die Namen unserer verschollenen Kameraden. Auch unsere schreckliche Erfahrung der auf ihren Höhepunkt getriebenen Barbarei, die die niedrigsten Instinkte des Menschen als Triebkräfte einer grausamen Modernität bedient.
Die Menschlichkeit ist ein dünner Anstrich, aber es gibt sie. Wenn wir von dieser eigenen Welt der Lager und Qualen, denen die Juden ausgesetzt waren, sprechen, erzählen wir Ihnen diese Gräuel, aber wir zeigen auch die Gründe, warum man nicht verzweifeln darf. Zuerst gab es für einige von uns jene, die uns im Krieg halfen, manchmal mit einfachen, manchmal mit gefährlichen Heldentaten, die zu unserem Überleben beitrugen. Es gab die gewiss nicht systematische Kameradschaft unter den Gefangenen, die eine so heilsame Wirkung hatte. Später war für diese winzige Minderheit, die 1945 nach Frankreich zurückkehrte, das Leben das stärkste; es fing mit seinen Freuden und Schmerzen wieder an.
Möge in Ihnen unser Lachen wie unser unendliches Leid nachhallen.
Unser Erbe ist hier, in Ihren Händen, in Ihren Überlegungen und in Ihrem Herzen, in Ihrem Verstand und Ihrer Sensibilität.
Sie müssen dafür sorgen, dass die Wachsamkeit kein leeres Wort ist, sondern ein Aufruf, der in der Leere des schlafenden Gewissens erschallt. Auch wenn die Shoah ein einmaliges Phänomen in der Geschichte der Menschheit darstellt, ist das Gift des Rassismus, des Antisemitismus, der Ablehnung des Anderen und des Hasses nicht das Schicksal irgendeiner Epoche, einer Kultur oder eines Volkes. Sie stellen in unterschiedlichem Maße und verschiedenen Formen täglich überall und immer eine Bedrohung dar, im vergangenen Jahrhundert wie in dem jetzt beginnenden. Diese Welt gehört Ihnen. Die Asche von Auschwitz dient ihr als Boden.
Dennoch liegt es in Ihrer Verantwortung, nicht der Vermischung und allem Durcheinander zu erliegen. Leid ist unerträglich; jedoch sind nicht alle Situationen gleich. Beweisen Sie Urteilsvermögen, gerade wo wir uns immer weiter von diesen Ereignissen entfernen und dabei die Banalisierung vielleicht zu einem gefährlicheren Übel als die Leugnung machen. Auch ist der Unterricht über die Shoah weder ein Schutz vor Antisemitismus noch vor totalitären Auswüchsen, aber er kann zur Gewissensbildung jedes und jeder Einzelnen von Ihnen beitragen. Er soll Sie darüber zum Nachdenken bringen, welche Mechanismen und Folgen diese dramatische Geschichte hatte. Unsere Berichte sollen Sie dazu aufrufen, diese demokratischen Werte zu verinnerlichen und zu verteidigen. Denn sie entspringen der absoluten Achtung der Menschenwürde und sind unser wertvollstes Vermächtnis an Sie, die Jugend des 21. Jahrhunderts.“
> Simone Veil, archives d'une vie
Dank der Privatarchive von Simone Veil lässt sich ein außergewöhnliches Leben nachlesen. Simone Veil übergab dem Nationalarchiv fünf Jahre vor ihrem Ableben die Akten, offiziellen Dokumente, ihre handgeschriebenen Notizen, die erhaltenen Briefe... All diese „Papiere“, die sie ein Leben lang geduldig aufbewahrte. „Simone Veil, mémoire d'une immortelle“ (Simone Veil, Erinnerungen an eine Unsterbliche) ist ein geschichtliches und berührendes Portrait einer Frau, die wegen ihrer Rechtschaffenheit, ihrer Offenheit, ihres ausgeprägten Sinns für den Staat und für Gerechtigkeit vielen ein Vorbild bleibt. Von Pierre Bonte-Joseph. Eine Produktion von Public Sénat.