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Zusammenschlüsse des Kolonialreichs mit dem Freien Frankreich

Sous-titre
1940

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Die französischen Besitzungen in Afrika Ende 1940. Quelle: MINDEF/SGA/DMPA
Die französischen Besitzungen in Afrika Ende 1940. Quelle: MINDEF/SGA/DMPA

 

Nach dem Aufruf General de Gaulles vom 18. Juni 1940 strömen immer mehr Freiwillige, die England auf die Seite des Freien Frankreichs bringen wollen, herbei. Jedoch ist der Angriff der Briten auf die französische Flotte in Mers el-Kebir, der aus Angst davor durchgeführt wurde, dass die Schiffe in die Hände der Deutschen fallen, ein herber Rückschlag für die Rekrutierung. Das Freie Frankreich besteht Anfang Juli nur aus einer Handvoll Männern im Exil, die von der britischen Unterstützung abhängig sind.

Corps 1

 

Geschichtliches

Die französischen Besitzungen in Afrika Ende 1940. © MINDEF/SGA/DMPA/Joëlle Rosello

 

Die Problematik der Anbindung der Gebiete an das Kolonialreich ist vielfältig. Das Freie Frankreich braucht eine territoriale Verankerung, um mehr Gewicht zu haben und seinen Platz an der Seite der Alliierten zu finden. Auch wenn das französische Festland zu der Zeit unter dem Stiefel des Besatzers steht, verfügt es dennoch über große Überseegebiete. Strategisch gesehen können sie den Alliierten im weiteren Verlauf des Krieges als Basis dienen.

Trotz vielversprechender Impulse folgen keine Zusammenschlüsse. Die Verantwortlichen der Kolonialgebiete bleiben Vichy treu und folgen nicht ihrem primären Wunsch, den Kampf fortzusetzen. Tatsächlich sind es nur wenige Überseegebiete, die sich 1940 dem Freien Frankreich anschließen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, ist es keine innere Kraft sondern eine entscheidende Aktion von außen, die sie schließlich an die Seite des Freien Frankreichs bringt.

Das französisch-britische Kondominium Neue Hebriden im Pazifik ebnete den Weg. Seinem Beispiel folgten Tahiti, die französischen Einrichtungen in Ozeanien, die fünf Niederlassungen in Indien (Puducherry, Mahé, Karaikal, Chandannagar und Yanam) und zuletzt Neukaledonien. Ihre strategische Bedeutung sollte sich im Jahr darauf beim japanischen Angriff auf Pearl Harbor zeigen.

General de Gaulle in Douala im Oktober 1940. Quelle: DR

 

Der Problematik in Afrika kommt in dieser Zeit eine erhebliche Bedeutung zu. Afrika kann aufgrund seines Humanpotenzials und seiner geografischen Lage die Basis für eine Rückeroberung Frankreichs und Europas sein. Während General de Gaulle zuerst seine ganzen Bemühungen auf Dakar und Westafrika konzentrierten wollte, lässt ihn die Anbindung des Tschad unter dem Einfluss von Félix Éboué, seinem Gouverneur, und Oberst Marchand, seinem Militärchef an seiner ursprünglichen Absicht festhalten. Die Folgen dieses Anschlusses sind nicht zu unterschätzen.

Schuss von der Richelieu vor Dakar, September 1940. Quelle: DR

 

Im Tschad, der über eine lange gemeinsame Grenze mit Italienisch-Libyen verfügt, haben die freien französischen Streitkräfte direkten Kontakt mit dem Feind und befinden sich in der Nähe ihrer britischen Verbündeten, die in Ägypten stationiert sind. Daher wird die Aktion nach Äquatorialafrika verlagert, umso mehr als die Nachrichten und Telegramme den Eindruck vermitteln, dass das Freie Frankreich überall beliebt ist. Diese Begeisterung ist jedoch dem Druck von Vichy ausgesetzt. Daher muss es jetzt schnell gehen. General de Gaulle entsendet Leclerc und Boislambert eiligst in den Kamerun, wo sie mit Unterstützung von Gruppen, die für das Freie Frankreich sind, die Anbindung herbeiführen. Fast gleichzeitig erreicht Oberst de Larminat trotz Widerstand von General Husson, dem Truppenkommandanten und Generalgouverneur, die Anbindung des Mittelkongo, während Ubangi-Schari folgt, das von Gouverneur de Saint-Mart dazu veranlasst wird. In Äquatorialafrika kann nur Gabun, das Vichy treu bleibt, nicht gewonnen werden.

Félix Éboué und der Gouverneur von Neukaledonien und den Neuen Hebriden, Henri Sautot – Sammlung des Museums der Ordre de la Libération

 

Um dem Freien Frankreich eine größere politische, territoriale und finanzielle Basis zu verschaffen, muss nun der nächste Schritt eingeleitet werden: die Anbindung von Französisch-Westafrika. Da das Scheitern des Unternehmens in Gabun die Hoffnung auf eine Kettenreaktion in Französisch-Westafrika verpuffen ließ, wird als Aktionsplan eine gemeinsame französisch-britische Operation in Dakar in Betracht gezogen. Die Gaullisten versuchen vergeblich eine Landung in der Bucht von Rufisque, da es ihnen nicht gelungen war, die Unterstützung von Gouverneur General Boisson auf friedlichem Wege zu erreichen. Die Briten beschließen daher, ihre eigenen Streitkräfte einzusetzen, jedoch schaffen sie es nicht, den Widerstand der Vichy-Truppen zu zerschlagen. Die Operation misslingt. Man muss die Hoffnung auf eine vollständige und schnelle Anbindung des Kolonialreichs aufgeben.

Französisch-Westafrika im Dezember 1940. © MINDEF/SGA/DMPA/Joëlle Rosello
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Im August 1940 lenkt General de Gaulle seine ganze Aufmerksamkeit auf Gabun. Denn es kann durch seine Lage als Enklave in Französisch-Westafrika für die Alliierten eine Bedrohung, oder zumindest eine Unannehmlichkeit, darstellen. Es werden gleichzeitig Offensiven gegen Libreville und Port-Gentil durchgeführt. Die Truppen de Gaulles treffen auf heftigen Widerstand. Sie rücken nur langsam und mühsam vor. Gabun wird erst nach heftigen Kämpfen erobert.

Französisch-Westafrika und Kamerun im Dezember 1940. © MINDEF/SGA/DMPA/Joëlle Rosello
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Trotz des Scheiterns in Dakar steht General de Gaulle nun an der Spitze der zu verwaltenden Gebiete. Während sich das Schicksal Gabuns entscheidet, gründet er in Brazzaville auf französischem Boden einen Rat zur Verteidigung des Kolonialreichs (Conseil de défense de l'Empire), der damit das erste Regierungsorgan des Freien Frankreichs ist. Seine Aufgabe besteht darin, „...in allen Bereichen den allgemeinen Krieg zur Befreiung der Heimat [zu führen] und mit fremden Mächten die Fragen der Verteidigung der französischen Besitzungen und der französischen Interessen [zu erörtern]...“ Das Freie Frankreich verfügt fortan über einen politischen Apparat, der ihm den Beginn eines repräsentativen Charakters sichert. Nach seinem Sieg im Gabun kontrolliert es das gesamte Französisch-Äquatorialafrika. General de Gaulle kann von nun an seiner militärischen und administrativen Organisation den letzten Schliff geben. Er nimmt eine Neuverteilung der Zuständigkeiten vor und ernennt neue Gouverneure für die angeschlossenen Gebiete. General de Larminat wird Hochkommissar der afrikanischen Gebiete des Freien Frankreichs, Félix Éboué Generalgouverneur von Äquatorialafrika, Pierre-Olivier Lapie Gouverneur des Tschad und Oberstleutnant Parant Gouverneur von Gabun. Pierre Cournarie wird zum Gouverneur von Kamerun ernannt, während Oberst Leclerc das Kommando der Truppen im Tschad übernimmt. Pierre de Saint-Mart bleibt Gouverneur von Ubangi-Schari.

Die Eckdaten:

17. Juni 1940: Frankreich bittet um den Waffenstillstand. Abreise von General de Gaulle nach London.

18. Juni 1940: Aufruf von General de Gaulle zur Fortsetzung des Kampfes.

22. Juni 1940: Unterzeichnung des deutsch-französischen Waffenstillstands auf der Lichtung von Rethondes bei Compiègne.

24. Juni 1940: Unterzeichnung des französisch-italienischen Waffenstillstands in Rom.

25. Juni 1940: Schaffung eines Hochkommissariats von Frankreich in Afrika durch die französische Regierung.

28. Juni 1940: Anerkennung General de Gaulles als Anführer der Freien Franzosen durch Großbritannien.

2. Juli 1940: Einrichtung der französischen Regierung in Vichy.

3. Juli 1940: Angriff der Briten auf die französische Flotte in Mers el-Kébir.

8. Juli 1940: Versenkung der Richelieu durch die Engländer in der Bucht von Dakar.

11. Juli 1940: Verkündung der französischen Verfassungsakte durch Marschall Pétain.

12. Juli 1940: Beginn der Regierungszeit Pétain-Laval.

18. Juli 1940: Die Neuen Hebriden schließen sich dem Freien Frankreich an.

2. August 1940: General de Gaulle wird in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

7. August 1940: Abkommen zwischen Churchill und de Gaulle, das die Grundlagen für das Freie Frankreich festlegt.

8. August - 5. Oktober: 1940: Schlacht um England.

26. August 1940: Der Tschad schließt sich dem Freien Frankreich an.

27. August 1940: Kamerun schließt sich dem Freien Frankreich an.

29. August 1940: Mittelkongo schließt sich dem Freien Frankreich an.

30. August 1940: Ubangi-Schari schließt sich dem Freien Frankreich an.

31. August 1940: Tahiti schließt sich dem Freien Frankreich an.

2. September 1940: Die französischen Einrichtungen in Ozeanien schließen sich dem Freien Frankreich an.

7. September 1940: Weygand wird Generaldelegierter der Vichy-Regierung für die französischen Gebiete in Afrika.

9. September 1940: Die französischen Einrichtungen Indiens schließen sich dem Freien Frankreich an.

23. - 25. September 1940: Misslungener Versuch von England und de Gaulle zur Anbindung Französisch-Westafrikas an das Freie Frankreich vor Dakar (Operation „Menace“).

24. September 1940: Neukaledonien schließt sich dem Freien Frankreich an.

27. September 1940: Unterzeichnung des Dreimächtepakts zwischen Deutschland, Italien und Japan.

27. Oktober 1940: Gründung des „Conseil de défense de l’Empire“ (Rat zur Verteidigung des Kolonialreichs) durch General de Gaulle in Brazzaville.

27. Okt. - 12. Nov. 1940: Besetzung Gabuns durch die Freien Französischen Streitkräfte.

12. November 1940: Ernennung von Félix Éboué zum Generalgouverneur von Französisch-Äquatorialafrika.

22. November 1940: Leclerc wird Kommandant der Truppen im Tschad.

24. Dezember 1940: Anerkennung des „Conseil de défense de l’Empire“ (Rat zur Verteidigung des Kolonialreichs) durch Großbritannien.

 

Die Operation „Menace“:

General de Gaulle möchte die politische und territoriale Basis für das Freie Frankreich erweitern, indem er Französisch-Westafrika und Dakar gewinnt. Letzteres ist ein wichtiger Hafen, der für die Briten ein wesentlicher Vorteil in der Atlantikschlacht wäre. Die Alliierten beschließen daher, gemeinsam die Operation „Menace“ auf die Beine zu stellen.

Die von Admiral Sir John Cunningham befehligte Force M läuft am 31. August 1940 von Liverpool aus und erreicht Dakar am 23. September 1940. Sie besteht auf britischer Seite aus fast 4.500 Mann, zwei Panzerkreuzern, der Resolution und der Barham, dem Flugzeugträger Ark Royal, vier Kreuzern und zehn Zerstörern, auf Seite der Freien Franzosen aus 2.400 Mann mit zwei holländischen Passagierschiffen, der Westernland und der Pennland sowie drei Avisos, der Savorgnan-de-Brazza, der Commandant-Dominé und der Commandant-Duboc.

Um ihre Autorität in Gabun zu bestätigen und Französisch-Äquatorialafrika zurückzuerobern, lässt die Vichy-Regierung gleichzeitig am 9. September von Toulon drei leichte Kreuzer der Force Y auslaufen, die unter dem Befehl von Konteradmiral Bourragué stehen. Es gelingt ihm, das zögerliche Verhalten der Briten zu nutzen und die Straße von Gibraltar zu passieren, jedoch trifft er kurz vor Libreville auf zwei britische Kreuzer und läuft daher lieber Dakar an, um so den Hafen besser verteidigen zu können.

Rückholung eines Verletzten an Bord der Westernland. Quelle: Imperial War Museum

 

Bevor er es zu einer Machtprobe kommen lässt, entsendet General de Gaulle drei Delegationen, darunter jene, die vom Fregattenkapitän Thierry d’Argenlieu angeführt wird, um den Anschluss der Stadt ohne Blutvergießen zu erreichen. Diese Versuche scheitern: die Abgesandten werden mit Waffengewalt abgewiesen und Thierry d’Argenlieu wird bei dieser Gelegenheit verletzt. Die Kämpfe brechen sofort aus. Die Freien Franzosen versuchen am Nachmittag des 23. vergeblich, am Strand von Rufisque zu landen. Am nächsten Tag versuchen die Briten ihrerseits, Dakar einzunehmen, ebenfalls ohne Erfolg... Am 25. ordnet Admiral Cunningham den Rückzug an, nachdem der Panzerkreuzer Resolution bei einem letzten Versuch schwer beschädigt wird. Die Operation ist auf der ganzen Linie gescheitert.

Der Anschluss Gabuns:

Als Enklave in Französisch-Westafrika kann Gabun für die Alliierten eine Gefahr darstellen. Daher sollte es angebunden werden, bevor Verstärkung für General Têtu aus Vichy eintrifft. Zur Gewährleistung der Sicherheit des Gebiets verfügt er bereits über einige Schützenkompanien, Glenn-Martin-Bomber und Kriegsschiffe, darunter den Aviso Bougainville und das U-Boot Poncelet.

Im Wald von Douala, H-39-Panzer auf dem Weg nach Gabun, Oktober 1940. Quelle: Mémorial Leclerc et de la Libération de Paris / Museum Jean Moulin (Pariser Stadtverwaltung)

 

Die Operation beginnt am 27. Oktober 1940: die zwei Kolonnen Parant und Dio aus Mittelkongo und Kamerun, die vor allem aus Tirailleuren bestehen, über H-39-Panzer aus Norwegen verfügen und in Douala gelandet sind, marschieren Richtung Libreville und Port-Gentil. Lambarene fällt am 5. November 1940, jedoch rücken die beiden Kolonnen im Urwald nur langsam und mühsam vor. Leclerc organisiert die Landung, die er schnell abschließen möchte: Die aus der Casamance stammenden Legionäre, die sich im Juli 1940 dem Freien Frankreich angeschlossen haben, landen in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1940 in den Mangroven in der Gegend von Libreville. Auf einige Lysander-Flugzeuge gestützt erobern sie zuerst den Flughafen und dann die Stadt. Gleichzeitig neutralisiert vor der Küste die Savorgnan-de-Brazza unter dem Kommando von Thierry d'Argenlieu die Bougainville. Port-Gentil legt in den folgenden Tagen die Waffen nieder.

Der Gegenschlag auf Image-Ebene:

Der Besitz der Überseegebiete ist für den französischen Staat gleich wichtig wie für das Freie Frankreich, daher konzentriert sich der Streit um die Legitimität zwischen Pétain und de Gaulle auf das Kolonialreich.

Die Regierung von Vichy will mit dem Kolonialreich die nationale Integrität sowie einen gewissen Handlungsspielraum gegenüber Deutschland bewahren bzw. über ein Druckmittel bei Verhandlungen in Bezug auf die Lockerung der Demarkationslinie oder die Verbesserung der den Franzosen auferlegten wirtschaftlichen Bedingungen verfügen. Die Deutschen ihrerseits nutzen bis 1942 das Kolonialreich als Druckmittel gegen die französische Regierung, die regelmäßig veranlasst ist, in den Überseekrieg einzugreifen. Die Rückeroberung der an das Freie Frankreich angeschlossenen Gebiete ist für Vichy daher ein konstantes Anliegen. Der französische Staat hält während des gesamten Krieges unaufhörlich und zunehmend daran fest, obwohl er immer mehr an Einfluss auf das Kolonialreich verliert.

 

Plakat der antibritischen französischen Liga, das sich über das französisch-britische Scheitern vor Dakar lustig macht, 1940. Quelle: Museum des nationalen Widerstands - Champigny

 

Während er die Anschlussbestrebungen des Freien Frankreichs bekämpft, führt es einen riesigen Propagandafeldzug gegen die Alliierten. In der Wochenschau wird unaufhörlich die Solidarität der Überseegebiete gegenüber dem Mutterland gerühmt, während satirische Zeichnungen und Plakate versuchen, das Image des britischen Premierministers und des Anführers der Freien Franzosen zu zerstören. Sie werden lächerlich gemacht und ihre Handlungen häufig in einem spöttischen Tonfall kommentiert, um ihre Bedeutung herunterzuspielen und ihnen jede Glaubwürdigkeit zu nehmen. General de Gaulle wird daher als Marionette in den Händen Churchills dargestellt, der selbst als Instrument der „kapitalistischen Juden“ erscheint. Die antibritischen Gefühle werden angestachelt. Das „perfide Albion“, von dem man nichts Gutes zu erwarten hätte (siehe Mers el-Kébir), ist der Erzfeind Frankreichs und benutzt die angeblich freien Anti-Franzosen, um seinen traditionellen Feind auszuschalten. Die Rückschläge der Alliierten und des Freien Frankreichs werden daher systematisch ausgenutzt und das Image de Gaulles herabgesetzt, um die Schwäche und Isolation des Freien Frankreichs zu zeigen.

 
Sammlung „Gedenken und bürgerschaftliches Engagement“, Nr.19, Veröffentlichung des Verteidigungsministeriums / SGA/DMPA