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Comics als gemeinsame Sprache

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„La magie de Noël", 1. Preis der 4. Ausgabe 2017-2018, als freier Kandidat der Oberstufe, erstellt von Ariane Toussaint und Léonard Pasty. © ONAC-VG

Seit nunmehr zehn Jahren macht der Wettbewerb „Bulles de mémoire" Comics zu einem Medium für historische Kenntnisse und zur Vermittlung des Gedenkens an Schulen. Der Wettbewerb wurde nach Deutschland exportiert und ist seither ein Mittel für die deutsche und die französische Jugend, die gemeinsamen Werte und Erinnerungen zu ergründen.

Corps 1

Im Jahr 2011 entstand im Office national des anciens combattants et victimes de guerre (ONAC-VG) die Idee, dem jungen Publikum einen Kunstwettbewerb rund um die Erinnerung an zeitgenössische Konflikte anzubieten, der für möglichst viele Menschen zugänglich ist. Dieses Projekt sollte ein zusätzliches, fächerübergreifendes, künstlerisches und für Jugendliche offenes Angebot über den schulischen Rahmen hinaus bieten und sich perfekt mit anderen pädagogischen Gedenkprogrammen ergänzen: Sowohl mit dem Concours national de la Résistance et de la Déportation (CNRD), der vom Bildungsministerium in Verbindung mit den großen Gedenkstätten-Stiftungen und dem Verteidigungsministerium organisiert wird, als auch mit dem Wettbewerb des ONAC-VG zum Großen Krieg mit dem Titel „Petits artistes de la mémoire" (Kleine Künstler des Gedenkens), die bereits eine große Anzahl von Schülern und Lehrern erreichen.

Am Anfang des Projekts stand also die Idee, ergänzend zu bestehenden Angeboten zu verfahren, indem man sich auf Augenhöhe mit dem jungen Publikum begibt und ihm ein aktuelles Ausdrucksmittel anbietet, über das es die entsprechenden Kenntnisse besitzt: Comics. Laut einer aktuellen Studie („Les Français et la BD 2020", IPSOS für das Centre national du Livre) geben über 80 % der 9- bis 13-Jährigen an, regelmäßig Comics zu lesen (insgesamt 12 pro Jahr), und 74 % der 14- bis 15-Jährigen sind regelmäßige Leser. Comics sind also ein starker Bezugspunkt für die französische Jugend, und laut derselben Studie ersetzt das Lesen von Comics nicht die Lektüre anderer literarischer Medien, sondern bereichert und ergänzt diese. Die Lektüre von Comics ist ein echtes Freizeitvergnügen und kann zudem dazu dienen, das eigene Wissen zu erweitern, insbesondere in Bezug auf die Geschichte.

 

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Deutsche und französische Preisträger der 4. Ausgabe nehmen an einem interkulturellen Workshop
zu den großen Ereignissen des 20. Jahrhunderts teil. © ONAC-VG

 

Aufgrund des wachsenden Erfolgs in den Regionen, in denen er gestartet war, wurde der Wettbewerb „Bulles de mémoire" 2014 landesweit ausgeschrieben. Das Prinzip ist einfach: Die Schüler sollen sich mit aktuellen Konflikten auseinandersetzen, indem sie zu einem bestimmten Thema, das jedes Jahr neu festgelegt wird, eine oder mehrere Bildtafeln entwerfen. Der Wettbewerb richtet sich an betreute Gruppen, z. B. Schulklassen oder Jugendzentren, aber auch an Jugendliche, die in ihrer Freizeit als „freie Kandidaten" teilnehmen möchten. Mit seinem modernen pädagogischen Ansatz ermutigt er Jugendliche, Selbstständigkeit, Recherchefähigkeit und kritisches Denken zu entwickeln, und ist somit voll und ganz Teil eines aktiven Bürgersinns. Durch die Verbindung von Forschungsdrang und dem Verständnis historischer Fakten und ihres aktuellen Kulturerbes bestätigt „Bulles de mémoire" die Relevanz eines spielerischen Ansatzes bei der Vermittlung des Gedenkens. Gleichzeitig werden alle Voraussetzungen für die Gedenkarbeit geschaffen, indem die Recherche von Dokumenten, der Abgleich von Quellen, das Gespräch mit Zeugen oder Akteuren des Konflikts und persönliche Fragen miteinander verknüpft werden.

2018 erhielt der Wettbewerb eine neue Dimension, als der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), der deutsche Schwesterverein und Partner des ONAC-VG für die Politik des Gedenkens und der Pflege von Kriegsgräbern, beschloss, den Wettbewerb zu übernehmen, um ihn auf Deutschland auszuweiten. Im Gedenkjahr zum Ende des Ersten Weltkriegs veranstalteten die beiden Einrichtungen für die Preisträger beider Nationalitäten eine binationale Preisverleihung und einen mehrtägigen gemeinsamen pädagogischen Aufenthalt. In Paris und anschließend in Berlin besuchten die jungen Preisträger Gedenkstätten und lernten sich in vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) geleiteten Workshops kennen, wo sie erkannten, dass es zwar kulturelle Unterschiede gibt, diese aber auch mit gemeinsamen Erinnerungen und Werten einhergehen, die über historische Identitäten und Ressentiments hinausgehen. So machen sie konkrete Erfahrungen mit ihrer europäischen Staatsbürgerschaft, die auf der Förderung des Friedens und einem kritischen, realistischen und verantwortungsbewussten Blick auf die Geschichte beruht. Vereint durch eine gemeinsame Ausdrucksform, die es ihnen erleichtert, ihre persönlichen Überlegungen treffend weiterzugeben, erhalten sie die Möglichkeit, trotz der Sprachbarriere zu kommunizieren und Botschaften und Emotionen zu vermitteln. Mit einer gemeinsamen Sprache, in der das Bild die Worte zum Ausdruck bringt, wird der Comic zu einem idealen Medium für die Umsetzung einer gemeinsamen Erinnerung bei der Jugend.

 

La magie de Noël

„La magie de Noël", 1. Preis der 4. Ausgabe 2017-2018, als freier Kandidat der Oberstufe, erstellt von Ariane Toussaint und Léonard Pasty. © ONAC-VG

 

Vor diesem Hintergrund veranstalten das ONAC-VG und der VDK gemeinsam diesen Wettbewerb, der trotz der neuen Zwänge, die durch die weltweite Gesundheitskrise entstanden sind, weiterhin auf beiden Seiten des Rheins eine große Mobilisierung bewirkt. Im November 2020 nahmen die französischen und deutschen Preisträger, die sich jeweils auf ihre Weise mit dem Begriff des Engagements für die Republik (in Frankreich) und die Demokratie (in Deutschland) auseinandergesetzt hatten, an einem virtuellen Treffen und einem kreativen pädagogischen Workshop rund um die preisgekrönten Arbeiten teil. Im Jahr 2021 und noch mehr im Jahr 2022 hoffen das ONAC-VG und der VDK, diese jungen Europäer erneut rund um starke Themen, nämlich dem Engagement von Frauen und Kindern in den heutigen Konflikten, zusammenbringen zu können. „Bulles de mémoire" wird zudem ein zunehmend europäischer Wettbewerb, denn das War heritage institute (WHI), das belgische Gegenstück zum Office, wird sich dem großen Abenteuer anschließen und den Wettbewerb in Belgien starten.

 

Laura Garnier - Stellvertretende Leiterin der Abteilung Gedenken und Staatsbürgerschaft, ONACVG