Der Französisch-Türkische Konflikt in Kilikien
Sous-titre
1920-1921
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erhielt Frankreich, das seinen Einfluss im Nahen Osten ausweiten wollte, vom Völkerbund ein Mandat für einen Teil Kilikiens, einer Region im Süden der Türkei …
Vor dem Ersten Weltkrieg hatten die Verbündeten bereits verschiedene Vereinbarungen über die Zukunft des Osmanischen Reichs und die Verteilung der verschiedenen Einflusszonen getroffen.
Das geheime Sykes-Picot-Abkommen vom 16. Mai 1916 sah die Aufteilung der arabischen Länder in eine französische und eine britische Einflusszone vor. Frankreich schaffte es damit, sein syrisches Protektorat auf Kilikien auszuweiten.
Im folgenden Jahr erkannten die Alliierten in der Vereinbarung von Saint-Jean-de-Maurienne die Hoheit Italiens über Südanatolien (Region Adalia) und die Region Smyrna (heute Izmir) an, die mehrheitlich von Griechen bewohnt wird. Dennoch erhielt Großbritannien 1918-1919 von der griechischen Regierung von Venizelos das Recht, die Region Smyrna „zwischenzeitlich“ zu besetzen, da Russland der Vereinbarung aufgrund der Revolution nicht zustimmen konnte, wie vereinbart war.
General Gouraud, Hochkommissar der Republik, bei Oberst Brémond, Chefadministrator in Kilikien, Adana, 1919. © Historischer Dienst der Verteidigung
Im Februar 1920 wurde auf der Londoner Konferenz die Auflösung des Osmanischen Reiches beschlossen und die Existenz französischer, griechischer und italienischer Gebiete in Anatolien bestätigt. Die Hauptstadt Konstantinopel, die im März von britischen Truppen (interalliiertes Kontingent) besetzt wurde, um den Verkehr durch die Meerengen sicherzustellen, blieb jedoch unter osmanischer Hoheit.
Zwei Monate später ergänzte das Abkommen der Konferenz von Sanremo die von den Alliierten in London beschlossenen Bestimmungen für Anatolien und Thrakien. Ostthrakien wurde von Griechenland annektiert. Die Meerengen wurden unter Aufsicht aller Verbündeter entmilitarisiert. Da die USA gegen ein Mandat für Konstantinopel und das türkische Armenien waren, erhielt die Armenische Republik die an sie angrenzenden ostanatolischen Provinzen. Kurdistan wurde autonom, während Griechenland und Frankreich sich ihre Einflusszonen im türkischen Teil Anatoliens aufteilten.
In der Konferenz von Spa im Juli lehnten die Alliierten die Gegenvorschläge Konstantinopels bezüglich der armenischen Provinzen und des französischen Mandats für Kilikien ab.
Alle von den Alliierten angenommenen Bestimmungen wurden in den Friedensvertrag (Vertrag von Sèvres) aufgenommen, wodurch das türkische Reich erheblich verkleinert wurde. Der Vertrag wurde von der rechtmäßigen Regierung des Sultans von Konstantinopel unterzeichnet. Allerdings hatte dieser seit Ende 1919 in Kleinasien stetig an Macht verloren.
Die Türkei gemäß Vertrag von Sèvres (10. August 1920). © MINDEF/SGA/DPMA/Joëlle Rosello
Der General Mustafa Kemal lehnte die Demobilisierung der anatolischen Gebiete nach der Invasion durch die griechischen Truppen in Smyrna im Juni ab. Er berief die Kongresse von Erzurum und Sivas eigenmächtig ein und wurde zum Oberbefehlshaber der Nationalversammlung.
Nach der Besetzung Konstantinopels durch britische Truppen löste sich die offiziell zusammengetretene Kammer im März 1920 auf. Die Nationalversammlung, die Mustafa Kemal in Ankara einberufen hatte, entmachtete den Sultan. Sie übertrug der Regierung mit Kemal als Vorsitzenden fortan die volle Macht. Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Sèvres setzte die Regierung in Ankara den Sultan ab.
Da es den türkischen Nationalisten nicht gelang, die ehemaligen balkanischen oder arabischen Gebiete zu halten, bemühten sie sich, wenigstens die Gesamtheit des „nationalen Territoriums“, das ganz Anatolien und Ostthrakien umfasste, zu bewahren.
Sie begannen mit der Rückeroberung von Gebieten, die unter ausländischer Besatzung standen, unabhängig von den jeweiligen Minderheiten. Dazu gehörte die Zurückdrängung der Griechen über die griechisch-türkischen Grenzen von 1914 hinaus, wobei sowohl die kontinentalen Truppen als auch die einheimische Bevölkerung einbezogen wurden. Überdies ging es um die Rückeroberung der armenischen Provinzen in der Türkei, einschließlich derer, die im Friedensvertrag von Brest-Litowsk (3. März 1918) der Türkei überlassen und von der jungen armenischen Republik nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1918-1919 annektiert worden waren (Kars und Ardahan).
Die kemalistischen Truppen und Partisanen kämpften in einer Mischung aus strategischen Armeeoperationen und taktischen Guerillaoperationen und Raubzügen. Dieser Krieg diente gleichzeitig dazu, die Minderheiten in Westanatolien (Griechen) und Ostanatolien (Armenier) zu vertreiben.
Türkische Mission in Paris, März 1921. © Historischer Dienst der Verteidigung
Die Militäroperationen verliefen an drei Fronten.
Nach den ersten türkischen Angriffen, ergriffen die Griechen im Juni 1920 im Westen die Offensive. Trotz des Rückschlags gegen Inönu waren sie bis zum Sommer 1921 siegreich, wurden jedoch von Mustafa Kemal, der zum Oberbefehlshaber ernannt wurde, in der Schlacht am Sakarya im August/September 1921 zurückgedrängt. Am 30. August 1922 errangen die Türken den entscheidenden Sieg bei Dumlupinar. Smyrna wurde eingenommen und die griechische Bevölkerung massakriert. Der Waffenstillstand von Mudanya vom 11. Oktober sprach der kemalistischen Regierung ganz Anatolien und Konstantinopel zu. Der offiziell abgesetzte Sultan wurde aus Konstantinopel vertrieben.
Im Osten eroberte die Türkei mit der moralischen und materiellen Unterstützung der UdSSR, die ihrerseits mit der Rückgewinnung der Republik Aserbaidschan beschäftigt war, Kars (3. Oktober 1920) und Andrinopol (7. November 1920) zurück. Nur drei Monate nach Beginn der Feindlichkeiten wurde am 2. Dezember der Friedensvertrag unterzeichnet. Darin wurden die Klauseln des Friedensvertrags von Brest-Litowsk bestätigt und auf dem armenischen Gebien einen autonomer Tartarenstaat geschaffen. Die Klauseln des Vertrags von Sèvres blieben unbeachtet.
Im Süden drangen Anfang 1920 türkische Truppen mit verheerenden Raubzügen nach Kilikien und in das Gebiet von Antalya vor.
Alexandrette © Historischer Dienst der Verteidigung
Das Mandat des Völkerbundes umfasste nicht ganz Kilikien, sondern überließ den östlichen Teil der Türkei. Die mehrheitlich armenische Bevölkerung begrüßte das französische Mandat, denn es garantierte einen kleinen autonomen armenischen Staat in Kilikien. Unter anderem dadurch wurden die türkischen und armenischen Nationalisten verärgert, was zu mehreren Problemen führte. Bis im Sommer 1920 war Kilikien Fokus einer aktiven expansionistischen Propaganda geworden, die auf die Schaffung eines großen armenischen Staates von Transkaukasien bis Zentralanatolien abzielte. Diese Propaganda nährte den Vernichtungswillen der nationalistischen Truppen, die sich zunächst gegen das armenische Rückzugsgebiet in Kilikien wandten und erste Kämpfe gegen die französischen Truppen führten. Als im September 1920 die Offensive gegen Armenien begann, wurde Kilikien zu einem Zufluchtsort für die Armenier, die aus Ostanatolien geflüchtet waren.
Nach den ersten Kämpfen gegen die kemalistischen Truppen unterzeichneten die französische Regierung und jene von Mustafa Kemal in Ankara am 30. Mai 1920 einen Waffenstillstand.
Dennoch kam es während der Verhandlungen mit der Regierung in Ankara weiterhin zu Scharmützeln zwischen französischen und türkischen Truppen.
Am 30. Oktober 1921 verzichtete Frankreich auf sein Mandat in Kilikien und behielt nur den Sandschak Alexandrette an der syrischen Grenze. Gleichzeitig verzichteten die Italiener auf das Gebiet von Antalya im Austausch für Bergbaukonzessionen in dieser Region.
General Dufieux Adana 24. November 1921. © Historischer Dienst der Verteidigung
1922 bot sich die französische Regierung als Vermittlerin im griechisch-türkischen Konflikt an und trug zur Unterzeichnung des Waffenstillstands von Mudanya am 11. Oktober bei, der den Rückzug der alliierten Mächte in der Türkei festschrieb.
Nach dem Waffenstillstand von 1922 und dem Sturz des Kabinetts von Lloyd George wurden die letzten Hindernisse für eine Revision des Vertrags von Sèvres beseitigt.
Im Vertrag von Lausanne verzichteten die Alliierten auf Ansprüche in Griechenland und Armenien. Frankreich verzichtete endgültig auf seine Gebiete in Kilikien. Die türkische Souveränität wird auf dem gesamten Staatsgebiet anerkannt. Die Türkei ihrerseits garantierte die freie Fahrt durch die Meerengen.