Die französischen Gefangenen in Vietnam
Am Ende des französischen Krieges in Indochina werden mehr als 20.000 französische Soldaten, Legionäre und afrikanische Soldaten als „gefangen und verschollen“ gemeldet, zu denen noch zehntausende Indochinesen kommen. Ein immer noch lebendiges Trauma.
Den meisten Kriegsgefangenen der Demokratischen Republik Vietnam (DRV), die zwischen 1945 und 1954 in Indochina gefangen genommen wurden, widerfuhr dies zwischen der Schlacht an der Route Coloniale 4 (Oktober 1950) und jener von Diên Biên Phu (März-Mai 1954).
Die Überlebenden kommen mehrheitlich im Sommer 1954 frei, krank und abgemagert. Darüber hinaus wurden fast 4.000 europäische und afrikanische Kriegsgefangene vorzeitig im Laufe des Konflikts freigelassen. In den von der DRV improvisierten Lagern, die zahlenmäßig überlastet sind, leiden sie unter Ernährungsumständen und hygienischen Bedingungen, die, auch wenn sie ähnlich jener der vietnamesischen Bevölkerung um sie herum sind, verheerende Schäden in ihren europäischen oder afrikanischen Reihen anrichten, insbesondere in den Lagern der Unteroffiziere und Soldaten der Truppe.
Aber die schreckliche Zahl des Todesfälle ist nicht der einzige Schock, der sie in Gefangenschaft erwartet. „Dieser lässt sich [zuerst] von der Erniedrigung herleiten, dass man als Angehöriger einer starken Armee von einem als schwach angesehenen Volk besiegt wird, vom konkreten Übergang in eine völlig andere menschliche und materielle Umwelt, was die Rückkehr zum primitiven Leben im Wald von Tonkin mit sich bringt, von der Überraschung, von Beginn an als „Freund“ und nicht als Feind behandelt zu werden, von dem Verschwinden von Dienstgraden und Tressen, die Stützen des Selbstvertrauens sind“, resümiert Oberst Bruge.
In seinem Buch Le Poison rouge fügt er hinzu: „Es herrscht auch eine große ideelle Verunsicherung angesichts einer Geisteshaltung, eines Sprachschatzes, einer Denkweise, die völlig neu und unverständlich sind.“
„So tun, als würde man mitspielen“
Obwohl sie wegen ihrer Beteiligung an einem „ungerechten“ Kolonialkrieg als „Kriegsverbrecher“ beschuldigt werden, sehen sie sich dennoch von der „Kronzeugenregelung“ des Präsidenten Ho Chi Minh „begnadigt“: Denn das militärische „Proletariat“, das sie bilden, wäre von der kolonialistischen Regierung Frankreichs im Solde der amerikanischen Imperialisten getäuscht und ausgenutzt worden. Die DRV bot den von diesen „Kriegstreibern“ im Stich Gelassenen die Möglichkeit, die Augen nicht vor ihrer Lage und jener des vietnamesischen Volkes zu verschließen und durch Unterzeichnung politischer Erklärungen für ihre Fehler zu zahlen. So konnten sie zu „Kämpfern für den Frieden“ werden; zunächst mit der Hoffnung freizukommen.
Die sozialen und moralischen Bezugspunkte der Kriegsgefangenen, die durch die besonders verheerenden Märsche zu den Lagern, die Müdigkeit, die Entbehrungen und die wiederholten politischen Erziehungsmaßnahmen verunsichert sind, werden durch die Gefangenschaft auf die Probe gestellt. In jedem Lager bilden sich neue kleine Gesellschaften von Gefangenen auf eine deutlich andere Art als vor der Gefangennahme, die zu großen - heute noch spürbaren - Unterschieden zwischen Widerstandskämpfern, Drückebergern, Denunzianten usw. führen. Ein allgemeines Klima des Misstrauens breitet sich zwischen ihnen rasch aus, das zur Verstärkung der Primärgruppen führt, deren Mitglieder zusammenhalten, gegen die Erschöpfung und Verunsicherung kämpfen und echte Umgehungsstrategien ausarbeiten, die ihr Überleben sicherstellen sollen..., indem sie ihre militärische Loyalität möglichst wenig zeigen.
Von den Viêt Minh freigelassener französischer Gefangener. © ECPAD
Dass sie sich der Propaganda der DRV scheinbar unterwerfen, drückt sich oft durch eine neue symbolische Ausgestaltung ihres Kampfgeistes aus: „Uns wurde bewusst, dass wir im Kampf gegen die Viêt Minh dieselbe Waffe wie sie anwenden mussten: die Lüge“, fasst Hauptmann Lepage bei seiner Befreiung zusammen (SHD, Vincennes). „So tun, als würde man mitspielen“ - diese von den ehemaligen Kriegsgefangenen oft verwendete Formel, um ihren zum Überleben eingegangenen, augenscheinlichen faulen Kompromiss zu erklären - beugt tatsächlich dem Verdacht vor, unter den sie seitens der französischen Militärbehörden fallen könnten; ein Argwohn, der dazu beiträgt, dass ihre Befreiung zu einem der wichtigsten Fixpunkte ihrer verwundeten Erinnerungen wird.
Die psychologischen Auswirkungen der Gefangenschaft
Die verschiedenen, potenziell traumatischen Erlebnisse der Gefangenschaft verschmelzen jedoch bei jedem Gefangenen zu einer eigenen Mischung. Es wäre daher falsch, die Erfahrung der Kriegsgefangenen mit der passiven Erfahrung der vom Tode Bedrohten oder einfachen Propagandaobjekten der DRV zusammenzufassen; in der Gefangenschaft werden sie zu Subjekten einer außergewöhnlichen Erfahrung. Manche hoben hervor, dass sie aus der Begegnung mit der vietnamesischen Bevölkerung einen Nutzen ziehen konnten; andere haben laut C-J. Baylé von ihrer Gefangenschaft „eine gewisse bereichernde Sicht“ bewahrt.
Für viele führende Offiziere geht es vor allem darum, die außergewöhnliche Erfahrung zu verstehen, die sie erlebten; daher haben manche versucht, die psychologischen Auswirkungen der Gefangenschaft, insbesondere aus der Perspektive der französischen Aufstandsbekämpfung in Algerien, als Modell zu verwenden. Alle oder fast alle sind jedenfalls aus dieser Erfahrung mit einem so erbitterten Antikommunismus herausgegangen, dass er heute noch dazu beiträgt, die vietnamesischen und später algerischen Unabhängigkeitskämpfe nur hinter der Maske eines international ausgeweiteten Konflikts gegen die kommunistische „Krake“ zu verbergen.
Ankunft der freigelassenen Gefangenen der französischen Union in Trung Ha © ECPAD
Pflicht des Gedenkens
Die Berichte von ehemaligen französischen Kriegsgefangenen – die trotz dessen, was oft zu lesen ist, relativ zahlreich, jedoch wenig wahrnehmbar waren – bilden von den 1950er-Jahren bis heute rund um die Zusammensetzung, Aufgliederung und Wiederzusammensetzung eine komplexe gesellschaftspolitische Ordnung, die je nach Zusammenhang und Einschätzung der Zeugen unterschiedlich ist; das unüberwindbare Problem zeigt dennoch eine bemerkenswerte Stabilität: die Erfahrung der ehemaligen Kriegsgefangenen, die vielen Traumata ausgesetzt waren, wurde nicht in angemessener Weise als erworbene Kenntnis des „kommunistischen Systems“ und von ihnen „im Namen Frankreichs“ ertragenes Leiden anerkannt.
Daher ruft die 1985 gegründete Association nationale des anciens prisonniers d’Indochine (nationale Vereinigung der ehemaligen Kriegsgefangenen von Indochina, ANAPI), nachdem sie für die Anerkennung ihrer Rechte (Gesetz vom 31. Dezember 1989) und ihres Leidens im öffentlichen Raum („Boudarel-Affäre“) gekämpft hat, zu einer Pflicht des Gedenkens auf. Eine weitere Forderung ist die Rehabilitierung der gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen, deren Zerstörung, zuerst in Indochina, dann in Algerien, sich gerade als eine der Hauptursachen für ihre Traumata erweist. Denn letztendlich möchten sie durch die Rehabilitierung ihres Kampfes für die „freie Welt“ und die „zivilisatorische Arbeit“ Frankreichs in Indochina die Wiedergutmachung der Geschichte selbst erreichen.