Die kanadischen Soldaten in den Schützengräben in Frankreich und Belgien
Die kanadischen Soldaten in den Schützengräben in Frankreich und Belgien
Zwischen der Ankunft des kanadischen Kontingents in Frankreich im Februar 1915 und dem Ende der militärischen Operationen im November 1918 haben etwa 620 000 Männer und Frauen die Uniform angezogen und sind nach Europa gereist, davon 400000 an die Westfront. Über 60000 sind nie zurückgekehrt, und ebenso viele blieben ihr ganzes Leben lang Kriegsversehrte. Der Erste Weltkrieg hat die Kanadier tief gezeichnet, nicht nur wegen der erlittenen Verluste, sondern auch, weil viele von ihnen das Trauma des Krieges erlebt haben.
Hauptmann William Withrow ist nicht der Archetyp des Kriegers. Als Gefreiter im 2. Pionierbataillon ist er am 4. Mai 1917 mit 48 Jahren gestorben, als er sich ein Baseballspiel ansah. Aber die Aufgabe, die Withrow erfüllt hat, ist ein typisches Beispiel für die Methode, die bei den Operationen des Ersten Weltkriegs angewandt wurde. Als Mitglied des kanadischen Pionierkorps bestand seine Rolle bei den Vorbereitungen des Angriffs auf den Kamm von Vimy vom 9. bis zum 12. April 1917 darin, die Herstellung von geographischen Karten zu beaufsichtigen, damit die Truppen sich in der Schlacht besser orientieren konnten. Er war Mitglied eines kanadischen Armeekorps' von Spezialisten, in dem innerhalb desselben Infanteriezugs die Aufgaben von Karabinerschützen, MG-Schützen und Grenadieren genau definiert waren. Im Übrigen ist Withrow schon allein durch sein Engagement ein Beispiel, denn alle, die an dieser Schlacht teilnahmen, hatten sich freiwillig zur Armee gemeldet. Die ersten, die ihre Heimat verließen, um an der Westfront zu dienen, waren tatsächlich alle Freiwillige. Nach den verbissenen Kämpfen wie die Schlacht von Ypern 1915, in der das kanadische Kontingent ein Drittel seiner Soldaten verlor und die Schlacht an der Somme 1916, in der 30% der Soldaten dreier Divisionen getötet, verwundet oder gefangen genommen wurden, stellte die kanadische Regierung allerdings fest, dass die Freiwilligen nicht ausreichten, um die Verluste an Menschen zu decken. Da sie eine Armee von einer halben Million Mann versprochen hatte, verkündete sie am 18. Mai 1917, dass sie zur Einberufung übergehen würde. Zu diesem Zweck kündigte die konservative Regierung von Robert Borden eine Wahl an, in der eine so genannte "unionistische" Partei gegen die liberale Partei von Wilfrid Laurier antreten sollte. Die Unionisten siegten und setzten Anfang 1918 die Einberufung durch.
Im Jahr 1917 kommen also die ersten Divisionen in das Land. Für die Anglophonen war dies das Jahr des Sieges von Vimy, wo nach einigen Monaten der Vorbereitung vier kanadische Infanteriedivisionen den Kamm nach einer Schlacht von nur wenigen Tagen einnahmen. Dies war der einzige wirkliche Sieg während der Frühjahrsoffensiven, und Vimy erfüllte die meisten Kanadier mit Stolz. Aber für die französischsprachigen Kanadier war dies auch das Jahr der Wahl der Regierung, die ihnen die Einberufung aufzwang. So bleibt die Geschichtsschreibung über den Ersten Weltkrieg bis heute gezeichnet von diesen unterschiedlichen Erinnerungen.
Für die Soldaten des kanadischen Armeekorps' bedeutete 1917 etwas ganz anderes. Die Schlachten von 1915 und 1916 hatten in ihren Reihen viele Opfer gefordert. Am Ende dieser Periode suchte deshalb ihr Kommandant, der britische General Julian Byng, nach einer Möglichkeit, einen Angriff an der Westfront zu unternehmen, ohne dabei schwere Verluste zu riskieren. Da er wusste, dass die Franzosen bei ihrem Gegenangriff gegen Ende des Jahres 1916 einen gewissen taktischen Erfolg erzielt hatten, schickte er den Kommandanten der 1. Division, Arthur Currie, nach Verdun. Das Ergebnis war die Spezialisierung innerhalb des Zuges, von der wir gesprochen haben. Diese Untereinheit, die aus etwa dreißig Mann bestand, wurde in vier Abteilungen eingeteilt: eine aus Karabinerschützen, eine weitere aus Grenadieren, eine dritte aus Grenadieren mit Gewehren (die ihre Gewehre als Granatwerfer benutzten) und eine letzte aus MG-Schützen bestehend, die mit einem leichten Maschinengewehr, genannt Lewis, bewaffnet waren. Mit dieser Neuorganisation konnte man eine verfeinerte Taktik anwenden, sowohl bei dem Feuer als auch bei der Bewegung. Z.B. versuchte der MG-Schütze vor einer befestigten Stellung zu erreichen, dass der Feind Schutz suchte, während die Grenadiere mit Gewehren die Schützengräben mit ihren Bomben belegten und auf den Angriff der Grenadiere und Karabinerschützen warteten. Diese Strategie erwies sich in Vimy als nützlich. Tatsächlich wurde die Operation nach einem Tag der Kämpfe in den Sektoren der 1., 2. und 3. Division zu einem Erfolg, und nach zwei Tagen auch an der Front der 4. Division. Der Verlust von über zehntausend Mann war zwar beträchtlich, er betrug 13% der Soldaten, was aber weniger als die Hälfte der Bilanz von Ypern oder der Somme war.
Dieser Erfolg war der erste einer Reihe von Siegen; die Kanadier nahmen im August die Höhe 70 und im November die Höhen von Passchendaele ein. Auch wenn diese Schlacht später zum schlimmsten Beispiel für das Leiden an der Westfront wurde - die Verwundeten drohten im Schlamm zu versinken - so hatte das kanadische Armeekorps von einem rein taktischen Standpunkt aus gesehen seine Ziele unter extrem schwierigen Bedingungen mit einer Verlustrate von 20% erreicht. Die Soldaten versinken im Schlamm der Schützengräben Allerdings interessierten diese taktischen und statistischen Fragen die Soldaten überhaupt nicht. Bei einem Angriff war zwar die Lehre von der Vorgehensweise von größter Wichtigkeit, aber man darf nicht vergessen, dass die Angriffe äußerst selten waren. Die Westfront zeichnete sich in erster Linie durch die Routine und den Schlamm in den Schützengräben aus. Die Infanteriebataillone wechselten sich ab und verbrachten einige Tage an vorderster Front, danach in der Reserve und schließlich hinter der Front, bevor der Turnus wieder begann.
An der Front waren die Soldaten allerdings auf der Hut, um jeden möglichen Angriff des Feindes zurück zu schlagen. Aber sie hatten auch Dutzende von täglichen Aufgaben auszuführen. Die Schützengräben, die Stacheldrahtsperren und die Unterstände, die zu den Verteidigungsstellungen gehörten, mussten ständig gewartet werden, eine Arbeit, die vor allem nachts verrichtet wurde, um Artilleriefeuer und feindliche Maschinengewehrangriffe zu vermeiden. Darüber hinaus mussten Patrouillen im no-man's land gegangen werden, um sicher zu stellen, dass der Feind dort keinen Angriff oder Handstreich vorbereitete. Bei diesen Gängen prüfte man auch, ob der Stacheldraht vor den kanadischen Stellungen immer noch in der Lage war, einen deutschen Angriff aufzuhalten oder zu kanalisieren. Das Gefährlichste an der Frontlinie war der Überfall, eine begrenzte Operation, die häufig nur von einer Handvoll Männern ausgeführt wurde, manchmal aber auch von einer ganzen Kompanie. Das Ziel war, die Unterstände des Feindes zu zerstören, ein paar Gefangene zu machen und Operationen zu vereiteln. Bei einem solchen Sturmangriff durchquerten die Soldaten das no-man's land, liefen von einem Versteck zum andern, um in die Linien des Feindes einzudringen; sie warfen Handgranaten oder Bomben, machten einige Gefangene und kehrten in ihre Basis zurück. Manchmal waren diese Operationen auch komplexer. Sie begannen mit Artilleriebeschuss, um den angepeilten Sektor zu isolieren, dann traten die schweren Maschinengewehre in Aktion, um den Feind zu zwingen, sich auf dem Grund der Schützengräben zu verbergen; dann griff die Infanterie in derselben Weise an wie in einer offenen Feldschlacht. Während der Vorbereitung einer Offensive wie die zur Einnahme des Kamms von Vimy konnten sich Überfälle dieser Art fast jeden Abend ereignen. Das Leben in der Reserve war viel ruhiger. Die Truppen, die diese Linien besetzt hielten, bereiteten sich auf einen Gegenangriff vor, für den Fall dass die Deutschen eine Sektion der kanadischen Front einnehmen sollten. Da das deutsche Reich einen Zweifrontenkrieg führte und nach dem Misserfolg des Schlieffenplans (1) im Jahr 1914 seine Truppen an der Front gegen Russland konzentrierte, griff seine Armee selten an der Westfront an. Aber trotzdem konnten sich die Reservebataillone nicht ausruhen. Sie hatten zahlreiche Aufgaben auszuführen, z.B. das Herstellen von Verbindungsgräben, in denen sich die Truppen mit ihrem Material an die Front oder ins Hinterland bewegten.
In diesem Sektor, hinter der Front, konnten die Soldaten vielleicht endlich etwas "durchatmen", auch wenn es einem offiziell in Ruhe befindlichen Bataillon nicht an Arbeit mangelte. Im Übrigen war es hier im Hinterland, wo die Truppen ihr Metier lernten oder perfektionierten oder auch Spezialausbildungen zum MG-Schützen oder zum Grenadier machten. Trotz allem waren diese Perioden Atempausen, in denen sie wieder einmal ein halbwegs normales Leben führen konnten. Sie gingen in die Gasthäuser, um Bier oder Wein zu trinken und eine angenehmere Mahlzeit einzunehmen als die normale Truppenverpflegung, bei der es zu oft Rindfleisch aus der Dose gab. Hier hatten sie auch wieder einmal Gelegenheit, Frauen zu treffen und in dieser Ruhepause die Angst, den Schmutz und den Lärm zu vergessen. Es wurden Beziehungen geknüpft, Geschichten entstanden, die von vorübergehender oder auch längerer Dauer waren und die, das muss man leider sagen, für die Gesundheit der Soldaten nicht ohne Folgen waren. Etwa 45 000 kanadische Soldaten von den 400000, die in Frankreich und Belgien dienten, mussten sich während des Krieges medizinisch gegen Gonorrhöe und 18 000 gegen Syphilis behandeln lassen. Was die Operationen betrifft, so agierte das kanadische Armeekorps nach drei Offensiven im Jahr 1917 vom Typ bite and hold - zufassen und halten - im nächsten Jahr ununterbrochen. Von August bis November kämpfte es ohne Pause am Nord - Kanal, in Amiens, Drocourt-Quéant, Cambrai und Valenciennes. Am Ende des Krieges war es in Mons, wo die britische Expeditionsarmee (die berühmte British Expeditionary Force) 1914 in ihre ersten Kämpfe verwickelt gewesen war. Als sie in dieses Dorf einzogen, erfuhren die Kanadier, dass der Feind sich mit der Unterzeichnung des Waffenstillstands einverstanden erklärt hatte.
Erinnerung aus Stein
Als Ehrung für seine auf dem Feld der Ehre gefallenen Soldaten hat KANADA Ehrenmale errichten lassen. In Frankreich : [list]In Vimy, beherrscht ein imposantes Denkmal einen Gedächtnispark (siehe Nr. 164). [list]Im Wald von Bourlon (6 km von Arras entfernt), ein auf einem Hügel errichtetes Denkmal, das an die Kanadier erinnert, die bei den Kämpfen gefallen sind, durch die das Überschreiten des Nord - Kanals ermöglicht wurde. [list]In Courcelette, (30 km von Amiens entfernt), ist ein Granitblock in einem Park den Soldaten der Schlacht an der Somme im Jahr 1916 gewidmet. [list]In Le Quesnel, (25 km von Cambrai entfernt), werden die Taten des kanadischen Korps in der Schlacht von Amiens im August 1918 geehrt. [list]In Dury, (16 km von Arras entfernt), ist die Erinnerung an die Operationen in Stein gehauen, die zum Durchbrechen der Linie Drocourt-Quéant geführt haben. [list]In Beaumont-Hamel, (28 km von Arras entfernt), wacht ein Karibu aus Bronze, das Emblem des Newfoundland Regiment, über die Erinnerung an alle Neufundländer, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen haben. [list]In Monchy-le-Preux, (7 km von Arras entfernt), blickt ein Karibu in die Richtung des Hügels, wo im April 1917 eine Handvoll Neufundländer den Feind zurück geschlagen hat. [list]In Masnières, (10 km von Cambrai entfernt), ehrt ein großer Karibu die Toten des Newfoundland Regiment, die an der Schlacht von Cambrai 1917 teilgenommen haben. [list]In Gueudecourt, (30 km von Arras entfernt), hat die Regierung von Neufundland die Statue eines Karibus für seine Soldaten errichtet, die in den Kämpfen von Le Transloy im Jahr 1916 gefallen sind. In Belgien : [list]In Passchendaele, (40 km von Lille entfernt), ist ein Denkmal den Kanadiern gewidmet, die ihr Leben im Schmutz und unter dem Hagel der Granaten an dieser Stelle im Herbst 1917 verloren haben. [list]In Saint-Julien, (7 km von Ypern entfernt), steht ein imposanter Granitblock, auf dem ein meditierender Soldat steht und an den Widerstand der Kanadier während der ersten Angriffe mit Giftgas erinnert, die im April 1915 in dieser Gegend stattfanden. [list]In Courtrai, (30 km von Lille entfernt), erinnert ein Karibu an das Überschreiten der Lys durch das Royal Newfoundland Regiment im Oktober 1918. [list]Am Hang 62 - Bois du Sanctuaire, (3 km von Ypern entfernt), erhebt sich ein weißer Granitblock aus Québec zur Erinnerung an die Kanadier, die Ypern verteidigt haben. [list]In Ypern, (42 km von Tourciong entfernt), ist das Denkmal der Porte de Menin den Soldaten des Commonwealth gewidmet, die in Belgien gefallen sind, darunter Tausende von Kanadiern.