Frankreich in Afghanistan
Der Angriff auf die Zwillingstürme des World Trade Center am 11. September 2001 lenkt den Blick der internationalen Gemeinschaft auf Afghanistan, ein Land, das durch eine Folge heftiger Kriege gekennzeichnet ist. Denn die Vereinigten Staaten haben den Anführer der Al-Kaida, Bin Laden, aufgespürt, dem das Regime der Taliban Schutz bietet.
Am 18. September versichert Präsident Chirac dem Weißen Haus die Unterstützung der französischen Streitkräfte, die unmittelbar eingesetzt werden (zuerst im Rahmen der Operation “Enduring Freedom” unter amerikanischem Kommando, dann unter der Federführung der NATO in der internationalen Beistandstruppe). Ihr Ziel ist es, die Taliban aus Kabul zu vertreiben, die Ausbildungslager der Al-Kaida zu zerstören und die Bildung von afghanischen Verteidigungskräften zu ermöglichen. Die Landstreitkräfte entsenden am 15. November ein Kontingent von Spezialtruppen in das Tora-Bora-Massiv und seine Stammesgebiete. Am Ende des Monats Dezember landet ein Bataillon mit verbundenen Waffen (21. Infanterieregiment der Marine), das sich anfänglich im Gebiet Mazar-e-Sharif befand, am Flughafen Kabul. Die erste Aufgabe der Operation “Pamir” beginnt mit einer langen Kontrollmission der Hauptstadtzone und seiner nördlichen Randgebiete (Shamali-Ebene). 2003 operieren unsere Truppen auch in der pakistanischen Grenzregion, in Spin Boldak (Operation “Ares”).
Auch wenn die Kampfoperationen in den ersten Jahren eher selten sind (mit Ausnahme spezieller Abstecher in die Flüchtlingsgebiete), verschärft sich die Lage im Jahr 2005. Die “Aufständischen” kommen an die Macht, die sich durch Drogenhandel bewaffnen und finanzieren. Die internationale Sicherheitsbeistandstruppe (ISAF) ist gezwungen, ihre “Muskeln spielen zu lassen” und Frankreich ist nicht untätig. 2006 stellt einen Meilenstein bei dieser anspruchsvollen Mission dar. Die Frankreich übertragene Verantwortung der Région Commandement-Capitale (militärische Formation, die Teil der ISAF ist) entspricht somit unserer Wiedereingliederung in das integrierte Kommando der NATO.
Als Ergänzung zur Formation im Rahmen der Operation “Epidote” werden Mentoren-Teams an der Seite der afghanischen Einheiten eingesetzt, um ihre Kampfausbildung sicherzustellen, aber auch um sie bei ihren Aktionen zu begleiten. Ab 2010 bewaffnen wir so sieben von sechsunddreißig OMLT (Operational Mentoring and Liaison Teams) durch Unterstellung der Bataillone der 3. Brigade des 201. Korps.
Darüber hinaus verlagert das französische Kontingent seinen Schwerpunkt mehr in den Osten in die Region Surobi. Der NATO-Gipfel in Riga 2008 konkretisiert diese Konsolidierung noch mehr und ein französisches Bataillon wird in das besonders heikle Kapisa-Tal entsandt (rund um Tagab). Während dieser Anpassung der Mittel ereignet sich plötzlich wie ein Donnerschlag der Hinterhalt im Usbin-Tal am 18. August 2008, bei dem zehn französische Soldaten des 8. Fallschirmjägerregiments der Marineinfanterie (RIMa) und des 2. Fallschirmjägerregiments der Fremdenlegion unter dem Feuer gut verschanzter Aufständischer fallen. 21 weitere werden im Kampf verletzt. Als erste Handlung einer echten “graduellen Aufwertung” der Waffenhandlungen führten diese Kämpfe seitens unserer Streitkräfte zu Taten, die von vielen als heldenhaft bezeichnet wurden.
Von da an verzeichnet der afghanische “Schmelztiegel” den Einsatz von mehr als 70.000 französischen Soldaten, von denen manche mehrmals entsandt werden. Die Zeit von 2009 bis 2011 bildet den Höhepunkt des Einsatzes unserer Landstreitkräfte, der durch die Zahl der eingesetzten Soldaten (4.000 im Jahr 2010) gekennzeichnet ist, aber auch durch die Entsendung des modernsten und effizientesten Materials im ganzen Spektrum der Bewaffnung zu Lande (VBCI (gepanzertes Infanteriekampffahrzeug), Kampfhubschrauber Tigre), ohne dabei die Unterstützungskräfte zu vernachlässigen, welche sich, berechtigterweise im Zentrum des Manövers mit verbundenen Waffen, in den afghanischen Tälern wieder Anerkennung verschaffen. Pioniere und Artilleristen sollten um den Sinn des Einsatzes wetteifern, die einen angesichts einer steigenden Bedrohung durch improvisierte Sprengkörper, die anderen auf das Feuer ihrer Granatwerfer oder ihrer Kanonen gestützt, mit den Einheiten im Kontakt, oft in geringer Entfernung in der “grünen Zone”.
Die Kämpfe von Alasay (Operation “Dinner Out” während des Mandats des 27. Bataillons der Alpenjäger (BCA)), jene im südlichen Tagab-Tal (Mandate der 21. RIMa und des 126. Infanterieregiments (RI)), jene am Jangali-Pass (Operation “Rumbling” beim Mandat der 2. RIMa und des 7. BCA) oder auch jene beim Abzug der Posten in Surobi (Mandat des 92. RI) sind für das hohe Niveau des Einsatzes unserer Soldaten in Afghanistan repräsentativ.
Ab 2012 ziehen sich unseren Truppen schrittweise aus Kapisa und Surobi in Richtung Kabul zurück. Die OMLT operieren weiterhin an der Seite der afghanischen Soldaten, unter denen sich Terroristen einschleichen, die mitten in den Anlagen das Feuer auf die Truppen eröffnen (wie am 20. Januar 2012 auf der Frontbasis Gwan).
Dieser Einsatz hat gleichzeitig die “Rückkehr des Krieges” besiegelt, die Herausbildung neuer Materialien und Kapazitäten sowie die Absicherung der Grundlagen in der operativen Vorbereitung. Die französische Armee hat 89 Soldaten auf diesem afghanischen Boden verloren und mehr als 700 wurden im Laufe eines entscheidenden Einsatzes verletzt.
Bataillonskommandant Rémi Scarpa - Oberkommando der Kampfschulen mit verbunden Waffen, Generalstabsschule
Augenzeugenbericht
Oberst Sébastien M.
(Luftstreitkräfte, Afghanistan)
“Als ich 2009 zum ersten Mal auf der früheren russischen Basis Bagram lande, spiegeln die Unmengen von Flugzeugen jeden Typs den enormen Bedarf nach Luftunterstützung für die Tausenden, in den Norden des Landes entsandten Soldaten der Koalition, wider. Von da an trage ich die riesige Verantwortung, den Drohnenverband Harfang der Luftstreitkräfte zu befehligen, den Frankreich nach Afghanistan entsendet hatte, um den Schutz der alliierten Truppen nach dem Hinterhalt von Usbin zu verstärken, der mit 10 getöteten und 21 verletzten Franzosen im August 2008 endete.
Die Aufklärungs-, Überwachungs- und Hilfsmissionen für die Bodentruppen bestimmen von da an unser Leben, Tag und Nacht, um die Talibangruppen im Nordosten Afghanistans unaufhörlich zu verfolgen. Ende 2009 markierte die Suche nach zwei in Kapisa entführten französischen Journalisten den Beginn einer vielversprechenden Zusammenarbeit mit den Spezialtruppen. Von meinen fünf Entsendungen in drei Jahren behalte ich das Leben der dank uns geretteten Waffenbrüder in Erinnerung... das ist das Wichtigste.”
Augenzeugenbericht
Gruppenführer Roland J.
(Landstreitkräfte, Afghanistan)
“Als ich 2009 nach Afghanistan geschickt werde, entdecke ich dort eine ganz andere Atmosphäre als an anderen Schauplätzen von Operationen. Vor diesem ungleichen Kampf gegen einen sich ständig ändernden und wirklichkeitsfremden Feind, der uns zur ständigen Konzentration zwingt, ist die Gefahr greifbar. Ich bin mit der Beförderung und dem Versand von Material beauftragt und muss mir in kurzer Zeit sehr unterschiedliche Informationen (Sicherheitsvorschriften, Arbeitsanweisungen, Routen usw.) aneignen. Regelmäßig breche ich auf, die Antonov (Frachtflugzeuge) am Flughafen auszuladen, um das Material an die verschiedenen Einheiten zu liefern.
Die Geschwindigkeit der Missionen ist hoch, ganz zu schweigen vom ständigen Risiko, Schüsse abzubekommen oder auf Minen zu treten. Wir wissen, dass uns ein kleiner Fehler das Leben kosten kann. Meine sieben Monate in Afghanistan haben mich tief geprägt. Zahlreiche Kameraden wurden verwundet, manche sind gestorben... Bei meiner Rückkehr dauerte es mehrere Wochen, bis ich den Reflex verlor, meine kugelsichere Weste zu suchen, die auf meinen langen Monaten dort unten mein treuer Gefährte war.”