Henri Giraud
(18. Januar 1879: Paris - 11. März 1949: Dijon)
Henri Giraud, der aus einer einfachen elsässischen Familie stammt, die in Paris wohnt - sein Vater war Kohlenhändler - ein junger Mann voller Tatendrang, ist ein ausgezeichneter Schüler der humanistischen Gymnasien Stanislas, Bossuet und Louis-le-Grand und tritt 1900 in die französische Armee ein, als er seine Ausbildung an der Militärschule Saint-Cyr abgeschlossen hat. Er wird der Einheit der 4. Zuaven in Nordafrika zugewiesen, mit der er 1914 an die Front geschickt wird. Er wird in der Schlacht von Guise während des Gegenangriffs von General Lanrezac gegen die 2. deutsche Armee von Bülow verwundet und kommt am 30. August in Gefangenschaft. Ende September gelingt ihm mit Hilfe des Netzes von Doktor Frère die Flucht. Er trifft den französischen Militärattaché in Den Haag, der ihn nach England bringt, von wo er sich wieder nach Frankreich einschifft. Im Herbst 1917 zeichnet er sich erneut aus, als das 3. Bataillon der 4. Zuaven das Fort de la Malmaison am Chemin des Dames zurück erobert, und später bei den von Pétain organisierten Offensiven nach der Krise im Frühling 1917. Nach dem Krieg schließt er sich den Truppen von General Franchet d'Esperey in Konstantinopel an und kehrt als Oberst auf Betreiben von Lyautey nach Morokko zurück, wo er die Aufstände der Berber bekämpft. So trägt er zur Übergabe von Abd-el-Krim (27. Mai 1926) während des Rifkrieges bei, eine Heldentat, die ihm die Ehrenlegion einbringt.
Als Militärkommandant der Festung Metz trifft er mit den Obersten Charles de Gaulle und Jean de Lattre de Tassigny zusammen. 1936 wird Giraud General und Kommandeur der 7. Armee und Mitglied des Obersten Kriegsrats. Da er nicht an die Wirksamkeit der Panzerarmee glaubt, lehnt er die von de Gaulle vertretene Taktik ab, als der Zweite Weltkrieg ausbricht. Am 10. Mai 1940 halten seine nach Holland geschickten Einheiten den deutschen Vormarsch auf, vor allem bei Breda am 13. Mai. Er wird am 19. Mai in Wassigny gefangen genommen, als er versucht, sich in den Ardennen mit der 9. französischen Armee den Panzerdivisionen entgegen zu stellen. Er wird in Schlesien, im Schloss Königstein in der Nähe von Dresden gefangen gehalten. Am 17. April 1942 flüchtet Giraud mit Hilfe von Freunden, den Generälen Mesny, Mast, Baurès und des britischen Geheimdienstes, die ihm die Flucht von Schandau aus ermöglichen. Von dort aus geht er ins Elsass und dann nach Vichy. Sein Abenteuer, das bald allgemein bekannt ist und das er in Mes évasions (Meine Fluchten) erzählt, ärgert die deutsche Regierung, die seine Auslieferung verlangt. Diese kann er dadurch verhindern, dass er einen Brief an Marschall Pétain unterzeichnet, in dem er versichert, dass er nicht gegen dessen Regime opponieren wird. Während er unter Hausarrest lebt, nehmen die Alliierten bald mit Giraud Kontakt auf, da sie General de Gaulle aus der Vorbereitung der Operation Torch heraus halten wollen. Er wird im November 1942 über Gibraltar außer Landes gebracht und trifft sich mit Eisenhower, der ihn mit dem Kommando über die französischen Truppen beauftragt. Vor Ort entwickeln sich bürgerkriegsähnliche Zustände, da die Leute von Admiral Darlan sich weigern, seine Führung anzuerkennen. Durch die Ermordung von Darlan am 24. Dezember wird dieser Konflikt beendet. Giraud macht sich zu dessen Nachfolger, behält die Institutionen wie auch das Ausnahmestatut der Juden bei und lässt einige Widerständler in Lagern in der südlichen Sahara internieren, die bei der Landung geholfen hatten. Als Teilnehmer an der Konferenz von Casablanca wird er gezwungen, diese Widerständler frei zu lassen und seiner Regierung einen demokratischeren Anstrich zu geben. Er wird Mitglied des Direktoriums des französischen Komitees der nationalen Befreiung (CFLN), das "Duell Giraud - de Gaulle" erreicht seinen Höhepunkt. Auf Grund der immer größeren Anhängerschaft von General de Gaulle muss er aber bald weichen. Seine uneingeschränkte Unterstützung von Pierre Pucheu diskreditiert ihn schließlich bei seinen Anhängern. Dieser ehemalige Innenminister von Pétain war nämlich nach Marokko gekommen, um dem Freien Frankreich zu dienen, aber sein Schritt wurde als verspätet empfunden, da ihm Kollaboration mit dem Feind und die Teilnahme an der Verhaftung von Geiseln vorgeworfen wurde.
Am 13. September 1943 schickt er französische Truppen zur Landung nach Korsika, um die dortigen Widerstandsgruppen zu unterstützen. Es ist ein militärischer Erfolg, aber Giraud wird von General de Gaulle stark kritisiert, weil er die kommunistische korsiche Résistance bewaffnet hat, wodurch die Operationen zur Befreiung Europas einen politischen Anstrich erhalten und die Arbeit der Vereinigung der Résistance erschwert wird. Er verliert endgültig seinen Sitz im CFLN. Im April 1944 organisiert Giraud die Teilnahme Frankreichs an der Schlacht um Italien, wird aber wegen seiner zu starken Verstrickung in das repressive System von Vichy von seinem Posten als Oberkommandierender abgelöst und muss sich aus den militärischen Institutionen des Freien Frankreichs zurück ziehen. Er schreibt später über seine Erfahrungen aus diesen unruhigen Jahren in seinem Werk: Un seul but: la Victoire (Ein einziges Ziel: der Sieg), Algier 1942-1944. Er überlebt ein Attentat in Mostaganem am 28. August 1944. 1946 lässt sich Giraud in Lothringen auf der Liste der republikanischen Partei der Freiheit und der unabhängigen Landwirte für einen Sitz in der zweiten verfassungsgebenden Nationalversammlung aufstellen. Als er am 2. Juni gewählt wird, vereinigt er die Gruppe der unabhängigen Republikaner und trägt zur Gründung der Vierten Republik bei, obwohl er sich weigert, für die Verfassung zu stimmen. Er beteiligt sich an den Debatten über die Situation der noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen (25. Juli 1946) und über die allgemeine Politik der Regierung in Algerien (22. August 1946). Bis Dezember 1948 hat er einen Sitz im Obersten Kriegsrat und erhält am 10. März 1949 die Militärmedaille für seine außergewöhnliche Flucht. Am nächsten Morgen stirbt er und wird im Invalidendom beigesetzt.