Paul Nizan
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Ich war zwanzig Jahre alt. Keiner soll je sagen, dass das das schönste Alter im Leben ist. Diese Worte wurden von einem 26-jährigen jungen Mann namens Paul Nizan verfasst. Sie leiten sein erstes Buch, „Aden Arabie“ ein, das 1931 veröffentlicht wurde, ein äußerst provokantes Pamphlet gegen den Kolonialismus, welches den Ton für das folgende Werk angibt: angespannt, polemisch und ausgesprochen verzweifelt. Auf dem Höhepunkt der Revolte und dem roten Faden des Kommunismus folgend hat Paul Nizan während seiner viel zu kurzen Karriere nie aufgehört, die bestehende Ordnung anzuprangern, die Fehler der bürgerlichen Gesellschaft aufzuzeigen und die Vorzeichen der Geschichte aufzudecken.
Der am 7. Februar 1905 in Tours geborene Sohn einer kleinbürgerlichen Mutter und eines sich hochgearbeiteten Arbeiters tritt mit 19 Jahren sein Studium an der Ecole Normale Supérieure an. Zu seinen Kommilitonen im Abschlussjahrgang 1924 zählen Raymond Aron und Jean-Paul Sartre. Bei der Lektüre von „Aden Arabie“ sieht ihn Sartre, sein unzertrennlicher Freund, mit dem er immer verwechselt wird (der Eine schielt einwärts, der Andere auswärts), „in die Betrachtung seiner Fingernägel vertieft und seine Ungeheuerlichkeiten mit einer hinterlistigen und trügerischen Gelassenheit äußernd“. Aber diese scheinbare Kälte, dieses schillernde Auftreten eines charmanten Dandys, dessen lila Anzüge und lakonische Aussagen, wie zum Beispiel „Die Moral ist ein Arschloch“ für Aufregung in den Reihen seiner Kollegen sorgen, vermögen eine heimliche Verletzung nur schwer zu verbergen.
Meine einzige Originalität besteht darin, regelmäßig in Depressionen zu verfallen, vertraut er im Scherz Henriette Alphen, seiner zukünftigen Frau an. „Ich bin nicht fröhlich und ich bin nicht verzweifelt, aber ich bestätige während des Hauptganges, dass das Leben keinen Sinn hat und während der Nachspeise, dass es niemanden zu wundern braucht, wenn ich eines Tages in einen Orden eintrete.“ Nizan verfällt manchmal in tagelanges Schweigen, wenn er nicht plötzlich verschwindet und einige Nächte später völlig mitgenommen wieder auftaucht, er sucht seinen Weg zwischen Rechtsextremismus und Kommunismus und entdeckt seine Leidenschaft fürs Kino. Von einem Lebensüberdruss, der ihn nie verlässt, geplagt, besessen von Gedanken an den Tod und angewidert von der „offiziellen Ausübung der Philosophie“ tritt er eine Stelle als Hauslehrer bei einer englischen Familie in Aden im Jemen an. In Aden, „dieser Kompression Europas“, entdeckt er sein politisches Gewissen. Ein Jahr später kehrt er zurück und entscheidet sich für den Marxismus, die einzige konkrete Lösung, die seiner Revolte entspricht. Ende 1927 tritt er der kommunistischen Partei Frankreichs bei. Er ist beinahe 23 Jahre alt, hat eine Frau und bald auch zwei Kinder und einen Lehramtstitel für Philosophie.
Der überzeugte Aktivist ist Parteikandidat bei den 1932 stattfindenden Wahlen in Bourg-en-Bresse, wo er ein Jahr lang Philosophie unterrichtet. Anschließend widmet er sich der Literatur und dem Journalismus, ist zunächst Chefredakteur der Avantgarde-Revue „BIFUR“, die Michaux, Sartre und Joyce bekannt macht, dann Literaturkritiker bei „l’Humanité“ (1935), wo er Céline, Breton und Lacan unterstützt und schließlich Redakteur für Außenpolitik bei „Ce Soir“ unter der Leitung von Aragon wird. Von Moskau, wo er den internationalen Schriftstellerkongress vorbereitet, bis Brest, Schauplatz blutiger Unruhen im Zuge des Vormarsches der Front Populaire, über England und Spanien einige Monate vor dem Bürgerkrieg, findet man ihn immer in den ersten Reihen. Obwohl er ein leidenschaftlicher Reporter ist, führt er parallel dazu eine Karriere als Schriftsteller und veröffentlicht Schlag auf Schlag Essays (Les Chiens de garde, Les Matérialistes de l'Antiquité) und Romane (Das Leben des Antoine B., Das Trojanische Pferd), die alle von den Kritikern begeistert aufgenommen wurden. 1938 wird Die Verschwörung mit dem Preis Interallié ausgezeichnet. Paradoxerweise gibt sich nur die kommunistische Partei sehr verhalten, ja sogar äußerst kritisch gegenüber seines literarischen Schaffens, wobei zu bemerken ist, dass seine Schriften nicht gerade orthodox sind und nicht dem eher engen Raster der Kommunisten der damaligen Zeit entsprechen.
Im Jahr 1939 deckt er in seinem letzten Werk Chronique de Septembre die Mechanismen der Verhandlungen zwischen Hitler, Daladier, Chamberlain und Mussolini auf, die zum Münchner Abkommen und der Auflösung der Tschechoslowakei führten. Im Urlaub in Ajaccio wird er vom deutsch-sowjetischen Abkommen zwischen Stalin und Hitler überrascht.
Er kehrt umgehend nach Paris zurück, um sich möglichst schnell über die Haltung der Partei zu informieren, welche den Pakt befürwortet. Sich selbst und seinen antifaschistischen Überzeugungen treu tritt er öffentlich im September 1939 aus der kommunistischen Partei aus.
Nachdem er für den Militärdienst eingezogen wird, setzt er sich an der Front weiter für seine Überzeugungen ein, indem er vehement versucht, seinen Kameraden seine Haltung verständlich zu machen.
Er wird als Dolmetscher für die englische Armee nach Lille versetzt und stirbt am 23. Mai 1940 beim Angriff der Deutschen auf Dünkirchen. Er wird auf dem nationalen Soldatenfriedhof La Targette in Neuville-Saint-Vaast beigesetzt.