René Cassin
"Es wird solange keinen Frieden auf diesem Planeten geben, solange irgendwo auf der Welt Menschenrechte mit Füssen getreten werden." So René Cassin, ein hervorragender französischer Jurist und einer der Väter der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Niemand hat es besser verstanden als er, dass die Menschenrechte und der Frieden aufs Engste miteinander verknüpft sind.
René Samuel Cassin kommt als Sohn einer traditionsreichen jüdischen Familie am 5. Oktober 1887 in Bayonne zur Welt. Nach seinem hervorragenden Abschluss am Lycée Masséna in Nizza studiert er an der Fakultät für Rechtswissenschaften in Aix-en-Provence. Er schließt sein Studium mit dem Titel lic. phil. ab, gewinnt den ersten Preis beim allgemeinen Wettbewerb der Rechtsfakultät, promoviert als Jurist, Volkswirtschaftler und in den politischen Wissenschaften und erhält 1919 seine Zulassung für Privatrecht.
1914 wird René Cassin als Obergefreiter mobilisiert. Am 12.Oktober desselben Jahres wird er in Saint-Mihiel durch einen Schuss aus einem Maschinengewehr schwer verletzt. Er wird mit dem Kriegsverdienstkreuz mit Palmzweig und der Militärmedaille ausgezeichnet. Nachdem er vom Militärdienst freigestellt wurde, unterrichtet er an der Fakultät in Aix-en-Provence und später in Marseille, Lille und Paris. Aus Solidarität mit seinen alten Kampfgefährten engagiert er sich ab 1917 für die Errichtung einer der ersten Vereinigungen für Kriegsopfer. 1929 wird er Vizepräsident des Obersten Rats der unter staatlicher Fürsorge stehenden Kriegswaisen. Bis 1940 widmet er seinen Aktivitäten für ehemalige Kämpfer viel Zeit und entwirft zahlreiche Gesetze zugunsten der Kriegsopfer.
René Cassin ist ein Kämpfer für den Frieden und wünscht sich nichts mehr, als die "Abschaffung sämtlicher Grenzen zwischen den Menschen und die Gültigkeit derselben Gesetze für jeden, was untrennbar ist mit der Menschenwürde." 1924 ist er Mitglied der französischen Abordnung im Völkerbund. Nach den Vereinbarungen von München, die er anprangert, verweigert er seine Teilnahme am Treffen in Genf. Bereits Anfang der 30er Jahre sieht er einen neuen Konflikt in Europa vorher, nachdem ihn deutsche Juden, die er während einer Reise nach Palästina kennengelernt hatte, auf die Gefahren des Nationalsozialismus aufmerksam gemacht hatten.
Friedensnobelpreis für den Verteidiger der Menschenrechte
Im Juni 1940 lehnt er den Vorschlag eines Waffenstillstands ab, geht nach England und trifft am 29. Juni auf General de Gaulle. Dieser betraut ihn mit der Mission, die Vereinbarung vom 7. August 1940 mit den Briten zu verhandeln. Eine Vereinbarung, die de Gaulle zum umfassenden Verbündeten macht und dem Freien Frankreich einen Status verleiht, der auf einwandfreien juristischen und administrativen Strukturen basiert, die das Weiterbestehen des Staates und der Republik sichern.
Auf Anfrage von General de Gaulle übernimmt er 1943 die Leitung über die Allgemeine Israelische Allianz, die er bis zu seinem Tod innehält. Als ständiger Sekretär des Conseil de défense de l'Empire français, Präsident des juristischen Komitees des kämpfenden Frankreichs und dann der provisorischen Regierung der französischen Republik (1941-1944) wird er 1944 zum Vizepräsidenten des Staatsrats ernannt. Diese Funktion führt er bis 1960 aus.
Als Abgeordneter Frankreichs bei der UN ist René Cassin ab 1946 Mitglied einer kleiner Expertenrunde, die damit betraut ist, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zu überarbeiten, die dann am 10. Dezember 1948 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in Paris beschlossen wird. An der Seite der Vorsitzenden der Kommission, Eleanor Roosevelt, Ehefrau des früheren Präsidenten der USA, spielt er eine maßgebliche Rolle. Er setzt durch, dass die Erklärung "universellen" und nicht "internationalen" Charakter hat und dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ebenfalls als fundamentale Rechte Berücksichtigung finden.
Im Januar 1959 wird er von der Beratenden Versammlung des Europarats auserwählt, als Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wirken, wo er von 1965 bis 1968 den Vorsitz innehat. Im Oktober 1968 wird ihm der erste Friedensnobelpreis verliehen. Das erhaltene Preisgeld ermöglicht es ihm, 1969 das Internationale Institut für Menschenrechte zu gründen.
René Cassin nimmt außerdem aktiv am institutionellen Leben in Frankreich teil. 1958 ist er Vorsitzender des Komitees zur Vorbereitung der Verfassung der 5. Republik und 1959 nimmt er als Vizepräsident des Staatsrats den Amtseid des neuen Präsidenten der Republik, General de Gaulle, ab. Auch bei der Gründung des Verfassungsrates spielt er eine wesentliche Rolle und ist dort von 1960 bis 1971 Mitglied.
Ausgezeichnet mit dem Großkreuz der Ehrenlegion, dem Titel Compagnon de la Libération, der Medaille des Widerstands und Träger der Palmes Académiques, einer der höchsten Auszeichnungen für Verdienste um das französische Bildungswesen, stirbt René Cassin am 20. Februar 1976 in Paris. Am 5. Oktober 1987 wird sein Leichnam anlässlich seines 100. Geburtstags ins Pantheon überführt.